ALTE MEISTER
: Titanweiße Weste

Der deutsch-niederländische Maler Heinrich Campendonk wird zum Umfeld der Künstlergruppe „Der Blaue Reiter“ gezählt, seine Werke gelten als brillante Beispiele der frühen Moderne und werden heute noch nachgefragt. Erst 2006 wurde sein bis dahin verschollen geglaubtes „Rotes Bild mit Pferd“ für fast 3 Millionen Euro versteigert. Campendonk war sogar dermaßen modern, dass er schon 1914 die Farbe Titanweiß benutzte, die erstmals 1914 hergestellt wurde und in Deutschland erst 1924 auf den Markt kam. Dieses kleine Detail wurde dem Krefelder Kunstfälscher Wolfgang B. (60) und seiner Bande zum Verhängnis. Gestern legte B. im Kölner Fälschungsprozess neben dem Geständis auch noch ein Bekenntnis ab: „Es hat richtig Spaß gemacht.“ Tatsächlich hat B. nicht nur auf dem Flohmarkt alte Rahmen für seine insgesamt 47 in den Markt geschleusten Fälschungen von Max Pechstein, Max Ernst oder eben Campendonk ergattert. Er hat mit einigem schauspielerischen Talent und zusammen mit seinen Komplizen eine „Sammlung Werner Jägers“ sowie eine „Sammlung Werner Knops“ einfach – schwupps! – erfunden, um die Herkunft der Bilder dem aufs Kreuz zu legenden Establishment aus Galerien und Auktionshäusern plausibel zu machen. Die Leute, die sich mit so was auskennen, haben den Betrug erst nach mehreren Jahrzehnten und einem Schaden von 16 Millionen Euro entdeckt. Künftige Kunstfälscher sollten aus dem Fall ihre Lehren ziehen und am besten gleich einen komplett neuen, angeblich vergessenen Kunststil erfinden. Der Markt, sonst bekanntlich von mimosenhafter Empfindlichkeit, braucht und wünscht und bezahlt so was. Schuld ist aber auch die Nachlässigkeit und Inkonsequenz von Malern wie Campendonk. Wie sagte Wolfgang B. so schön: „Ich malte Gemälde, die im Werk eines Künstlers eigentlich nicht hätten fehlen dürfen.“

ARNO FRANK