heute in bremen
: „Nicht als Verrückte abtun“

Tagung im Lichthaus: Wie kann die Psychiatrie den Behandelten gerecht werden?

taz: Herr Utschakowski, wie würden Menschen, die Erfahrungen in der Psychiatrie gemacht haben, diese gerne verändern?

Jörg Utschakowski, Sozialpädagoge und Projektleiter Ex-In (Erfahrene verändern die Psychiatrie): Sie wünschen sich, dass ihnen zugehört wird. Zum Beispiel, wenn sie darüber sprechen, wie es ist, wenn sie Stimmen hören. Dass sie gefragt werden, welche Hilfe sie brauchen und nicht nur als „Diagnosen“ behandelt werden, als Psychotiker. Sie möchten als ganze Menschen wahrgenommen werden, die mehr sind als ihre Krankheit. Derzeit geschieht das leider gar nicht. Wenn jemand sagt, er oder sie möchte Medikamente nicht nehmen, heißt es nur: „Das ist ein Symptom deiner Krankheit.“ Nach den Gründen wird nicht gefragt.

Aber das ist doch das Problem – Stichwort „Ich bin nicht paranoid, aber ich werde verfolgt“ – wie erkennt man, ob der Grund für die Verweigerung nicht doch die Krankheit ist?

Darauf gibt es keine einfache Antwort, es geht um den Dialog. Ein gutes Beispiel ist das Stimmenhören. Man kann das abtun als Krankheitssymptom und sagen, „das ist etwas Schlimmes, das gehört weg“, oder man kann es akzeptieren und damit arbeiten.

Aber was ist mit zerstörerischen Stimmen, die sagen: „Bring dich um.“ Oder andere.

Solche Stimmen kann man lernen, als Signale ernst zu nehmen. Die sagen: „Es geht mir nicht gut.“ Und man kann lernen, den Stimmen zu sagen: „Jetzt halt mal die Klappe.“

Und wenn jemand Hilfe verweigert – und sich oder andere gefährdet?

Erfahrungen aus Holland und England haben gezeigt, dass es hilft, wenn Erfahrene in die Behandlung solcher Menschen miteinbezogen werden. Die wissen nämlich, was jemand durchmacht und werden eher als Hilfe wahrgenommen als andere, die das Signal „Du bist verrückt“ aussenden. Wir arbeiten daran, dass es so etwas auch in Deutschland gibt. Interview: Eiken Bruhn