„CHARLIE HEBDO“
: Wieder mal zu spät

Eine Schurkin namens Stompa stampft auf den Boden

Ich gehe mit Fup in die Buchhandlung meines Vertrauens, nämlich zu Kisch & Co. in der Oranienstraße 25, weil ich aus Gründen der Solidarität ein Charlie Hebdo kaufen möchte, auch wenn das Heft ja schon im Fernsehen gezeigt wurde und die taz das Titelblatt übernommen hatte. Aber da ich wegen einer fiesen staatlichen Zwangsmaßnahme (nämlich das Erstellen einer Inventur) keine Zeit hatte, auf eine Demo zu gehen, denke ich, dass ich mir wenigstens das Heft besorgen sollte. Schließlich will ich wissen, worüber die islamische Welt sich so aufregt.

Ich sage: „Habt ihr Charlie Hebdo?“ Mein Buchhändler lacht, und zwar laut und lange. Es stellt sich heraus, dass ihm diese Frage in den letzten Tagen ständig gestellt wurde. Für ihn ist das wie ein Running Gag: Nach dem hundertsten Mal kann man nur noch lachen. Auch das Telefon ist heiß gelaufen, manche seien sogar beleidigt gewesen, weil sie das Heft nicht sofort kriegen konnten. Man habe sich ja darum bemüht, aber man sei einfach nicht beliefert worden. Weder mit der französischen noch mit der deutsche Ausgabe. Inzwischen habe man herausgefunden, dass nur 75 Exemplare nach Berlin gelangt seien. Die Menschen, die in einer langen Schlange vor der Buchhandlung im Hauptbahnhof anstanden, mussten sich mit zwei Exemplaren begnügen.

„Habt ihr wenigstens Houellebecq?“, frage ich und fürchte mich bereits vor der Reaktion, die dann auch eintrifft. Die Bücher sind alle schon weg. Der Verlag kann erst wieder in zwei Wochen liefern. Ich bin wie immer zu spät. Fup ist inzwischen in der Kinderbuchecke abgetaucht. Aus der kommt er mit einem Superman-Buch wieder hervor, in dem alles kurz und klein geschlagen wird. Eine Schurkin namens Stompa stampft auf den Boden und löst dadurch ein Erdbeben aus, das Straßen zerstört und Hochhäuser einstürzen lässt.

KLAUS BITTERMANN