Kultur ist irgendwie Chefsache

BAUEN Vor dem Kulturausschuss präsentierte sich Michael Müller zum ersten Mal in seiner Eigenschaft als Kultursenator. Es war ein glanzloses Debüt, flüchtete er sich doch auf bekanntes Terrain

Berlin wird im In- und Ausland als die deutsche Kulturmetropole schlechthin wahrgenommen. Berlinbesucher und Zuziehende kommen vor allem der Kunst und Kultur wegen hierher. Aber auch wir ansässigen Berliner profitieren tagtäglich von der künstlerischen Arbeit der Kulturschaffenden. Diese drei Sätze, die auch aus der Broschüre einer Stadtmarketing-Agentur stammen könnten, umfassen im Kern das Kulturverständnis unseres neuen Kultursenators.

Mit einer Grundsatzrede zu „Perspektiven der Berliner Kulturpolitik“ hatte sich der Regierende Bürgermeister Michael Müller am Montag vor dem Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses als Kultursenator eingeführt. Sein erster Auftritt in dieser Eigenschaft war von den Ausschussmitgliedern mit Spannung erwartet worden. Doch was grundsätzliche Leitgedanken, gar Visionen anging, wurden sie enttäuscht.

Stattdessen erging sich der ehemalige Stadtentwicklungssenator Müller nur in Plattitüden. Kultur als Imagefaktor und Wachstumsmotor – das kannte man schon von Klaus Wowereit. Immerhin: Müller erklärte, im Senat für die Kultur streiten zu wollen. Kunst und Kultur gebe es nun mal nicht zum Nulltarif, das werde er den Kollegen aus anderen Ressorts klarmachen.

Überzeugender wirkte der ehemalige Stadtentwicklungssenator, als er sich auf bekanntes Terrain flüchtete: Er zählte auf, welche Bauprojekte in den nächsten Jahren anstehen oder vollendet werden müssen: Ein neuer Standort für die Zentral-und Landesbibliothek (ZLB) werde geprüft, wobei Müller eine Präferenz für die Erweiterung der Amerika Gedenkbibliothek erkennen ließ. Er freute sich über das neue Museum für das Kulturforum und die Sanierung des Bauhaus-Archivs, ernannte es zu einer Aufgabe, Räume und Spielräume für die Freie Szene zu erhalten, und erklärte, die Einnahmen aus der City Tax baldmöglichst hierhinein investieren zu wollen.

So weit, so erwartbar. Dass freies WLAN in Kultureinrichtungen und die Vorbereitung des Kirchentags 2017 als „kulturpolitisches Event“ so weit oben auf Müllers Liste standen, überraschte dann doch etwas. Früher am Tag hatte Müller bereits sein individuelles Kulturverständnis unter Beweis gestellt: Als erster Berliner trug er sich ins Kondolenzbuch zum Gedenken an den Entertainer Udo Jürgens ein. Dafür bekannte er sich im Kulturausschuss dann vehement zu allen drei Opern. Berlin brauche seine Opern, entgegnete er einem zweifelnden Piraten.

Als das geklärt war, kam Müller in den Genuss einer der üblichen Anhörungen auf dem „Büßerbänkchen“ des Kulturausschusses. Diesmal saß da Senatsbaudirektorin Regula Lüscher, die das Desaster bei der Sanierung der Staatsoper bezifferte: 1,5 Jahre später, mehr als 94 Millionen teurer als geplant. Wenn das Haus Unter den Linden, wie von Lüscher versprochen, im Herbst 2017 wiedereröffnet wird, wird die öffentliche Hand mehr als 401 Millionen Euro ausgegeben haben. Linke und Grüne bekräftigten sogleich, einen Untersuchungsausschuss einrichten zu wollen. NINA APIN