Mario Testino: In Your Face

Niemand von den Stylistinnen, Fotografen, Kritikern, Mode- und Lifestylexeperten, die ich kenne, hält Mario Testino für einen wirklich interessanten Bildermacher. Dennoch ist der 1954 in Lima, Peru geborene Modefotograf einer der meistbeschäftigten und damit bestverdienenden Fotografen der Welt.

Was macht er richtig, dass er eine große Vogue- oder Harper’s-Bazar-Strecke nach der anderen fertigt und für seine Vanity-Fair-Serien gerühmt wird? Seine gestern eröffnete Ausstellung „Mario Testino: In Your Face“ in der Kunstbibliothek in Berlin gibt ein paar Hinweise. Er arbeitet abgesichert, mit einem Heer von Assistenten, den besten Stylisten und Make-up Artists, den besten Fashion Editors sowieso. Die professionelle Exzellenz der Produktion führt, wenig verwunderlich, zu perfekten Bildern. Freilich sind sie ein bisschen zu perfekt, um wirklich zu überzeugen. Nur selten verliert sich das Kalkulierte seiner Bilder. Das liegt auch daran, dass Mario Testino alle Bildsprachen seiner Kollegen beherrscht. Er kann Guy Bourdin bei einer Aufnahme, auf der eine Frau im Pelz an einem Tieraktivisten vorbeischreitet, der ein Plakat FUR IS DEAD hochhält. Diese Ironie zieht nicht mehr, da muss heute mehr Härte sein.

Ja, er kann dann auch Helmut Newton, zitiert dessen gesatteltes Model im Hotelbett, indem auch er sein Model auf alle viere setzt und ihm einen riesigen runden Kragen vorhängt, aber eine richtig coole Paraphrase ist das nicht. Er kann Alice Springs, wenn er Kate Moss von hinten im arschknappen Mini fotografiert. Na gut, wegen Kate Moss verzeiht man’s ihm. Und natürlich kann er auch Sex, aber auch nicht so richtig, mit fettem Sex-Appeal.

Gut kann er die Celebrities in Szene setzen, das zeigt die Schau, die erstmals in Europa zu sehen ist. Madonna als Botticelli-Schönheit, das ist wirklich gelungen und entsprechend das Cover ihres Albums „Ray of Light“. Und Keith Richards und Mick Jagger: Schauen Sie selbst. WBG

■ Bis 26. Juli 2015