Schöne bunte Urlaubswelt

Obwohl Tourismus vielen Länder Devisen bringt, profitieren in erster Linie große Reiseanbieter. Ein Gütesiegel soll künftig dagegen angehen

Für jedes Land definieren: Welcher Lohn ist für Hotelangestellte fair?

VON OLE SCHULZ

Es wäre zu schön: Urlaub in der Ferne zu machen und sich dabei in dem sicheren Gefühl zu wiegen, dass man der Umwelt nicht schade und zudem einen Beitrag dazu leiste, dass die Bewohner des Gastlandes angemessen von den ausländischen Besuchern profitierten. Die Realität sieht aber meistens anders aus: Langstreckenflüge gehören weiterhin zu den Klimakillern Nummer eins, und ob die Hotelangestellten unter menschenwürdigen Bedingungen arbeiten und tatsächlich fair bezahlt werden, lässt sich als Tourist häufig schwer beurteilen. Obwohl die Einnahmen aus dem Fremdenverkehr für viele arme Länder mittlerweile der größte Devisenbringer sind, profitieren davon bis heute in erster Linie die großen Reiseanbieter aus dem Ausland – und nicht die einheimische Bevölkerung.

Allerdings gibt es derzeit mehrere Versuche, das Label „fair“ auch im Reise- und Tourismussektor zu etablieren. Der prominenteste von ihnen läuft unter der Ägide der in Bonn ansässigen Fairtrade Labelling Organizations International (FLO). Zusammen mit der FLO untersuchen Nichtregierungsorganisationen aus sechs verschiedenen Ländern, welche Möglichkeiten eines Gütesiegels für sozialverträgliches Reisen bestehen. Neben dem schweizerischen Arbeitskreis Tourismus und Entwicklung ist daran auch die Arbeitsstelle Tourism Watch des Evangelischen Entwicklungsdienstes (EED) beteiligt. Eine entsprechende Vorstudie wurde im Januar veröffentlicht.

Bis zur konkreten Umsetzung ist es jedoch noch ein weiter Weg: Laut Heinz Fuchs, Leiter von Tourism Watch, befinde man sich zurzeit in der Phase einer „qualifizierten Prüfung“, ob ein solches Fair-Trade-Label für Überseereisen überhaupt „vernünftig und möglich“ sei. Denn die Übertragung der Kriterien des Fairen Handels auf den Dienstleistungssektor Tourismus werfe zunächst einmal eine Reihe von Fragen und spezifischen Schwierigkeiten auf. „Eine Urlaubsreise besteht aus vielen Einzelteilen, von denen nicht alle zertifizierbar sind“, sagt Fuchs. Für die Bereiche Unterkunft und Verpflegung, die zu den zentralen Bestandteilen jeder Reise gehören, sei das immerhin realisierbar: „Es kann zum Beispiel in jedem Land definiert werden, welcher Lohn für die Hotelangestelltenbasis ein fairer Preis ist.“ Das Einkommen müsse dabei nicht nur existenzsichernd sein, es müsse auch gewährleistet sein, dass die Angestellten sozialversichert beschäftigt werden. Auch das Umweltmanagement einer Hotelanlage lasse sich relativ gut quantifizieren. Wenn im Bereich Verpflegung zudem die Verwendung von Produkten aus regionalem Anbau sichergestellt sei, stehe einer Zertifizierung nichts mehr im Wege.

Schwieriger sei laut Fuchs dagegen die Bewertung anderer Reisebestandteile, zum Beispiel von Ausflügen und Rundfahrten, vor allem aber die Anreise, die gewöhnlich im Flugzeug erfolgt. Fuchs kann sich vorstellen, dass den Kunden als „freiwillige Zusatzleistung“ einer fairen Reise eine Ausgleichszahlung für die durch den Flug verursachten Umweltschäden angeboten werden könnte. Hierbei sei eine Kooperation mit bereits in diesem Feld tätigen Organisationen wie atmosfair möglich.

Das Forum Anders Reisen versucht, einen anderen Weg einzuschlagen: Statt einzelne Reisen zu zertifizieren, haben sich die rund 140 kleineren Reiseanbieter, die sich im Forum dem Thema Nachhaltigkeit verschrieben haben, verpflichtet, einen Kriterienkatalog einzuhalten. Einer der wichtigsten Punkte dieses Katalogs ist, dass jeder Langstreckenflug mit einem Mindestaufenthalt verbunden ist. Bei einer Flugreise von über 2.000 Kilometern muss der Aufenthalt zum Beispiel mindestens 14 Tage betragen.

Ob alle anderen Kriterien jedoch wirklich eingehalten werden, ist bis heute noch nicht überprüfbar. Mit Geldern der Europäischen Union arbeitet das Forum daher gemeinsam mit Kate – Kontaktstelle für Umwelt und Entwicklung – daran, dies in Zukunft zu gewährleisten. „Am Ende sollen Nachhaltigkeitsberichte der beteiligten Unternehmen entstehen, die über ein Produktgütesiegel hinausgehen“, sagt Hannes Schleicher vom Vorstand des Forums Anders Reisen. Gerade sei man dabei, fünf Testunternehmen, zu denen Anbieter wie Travel to Nature und Aventoura zählen, genauer unter die Lupe zu nehmen. Künftig soll die nachhaltige Unternehmensführung nach dem Vorbild der „Corporate Social Responsibility“ (CSR) dann von einem externen Gremium „stichprobenartig“ kontrolliert werden.

Heinz Fuchs von Tourism Watch begrüßt die Initiative vom Forum Anders Reisen zwar, doch wünscht er sich, dass neben den Nischenanbietern mittelfristig auch der Massenmarkt erreicht wird. Nach einer bislang unveröffentlichten Umfrage von Tourism Watch gibt es allein in Deutschland eine Zielgruppe von mindestens 5 Millionen Personen, die großes Interesse an entsprechenden Angeboten hat. Fuchs glaubt auch, dass viele von ihnen bereit wären, dafür einen höheren Preis zu zahlen. „Durch den Klimawandel ist das Bewusstsein dafür gereift, dass Flugreisen nicht nur für Ramschpreise zu haben sind.“

Tourism Watch hat im Juni die kostenlose Broschüre „Fair Reisen mit Herz und Verstand“ veröffentlicht. Sie ist über den EED zu beziehen: Tel. (02 28) 81 01-0, Fax (02 28) 81 01-1 60, vertrieb@eed.de, oder als Download im Internet unter www.eed.de/de/de.col/de.col.d/de.sub.10/de.sub.pub/