YOANI SÁNCHEZ POLITIK VON UNTEN
: Bleiben oder informieren?

Journalisten hoffen auf die große Umsturz-Reportage aus Kuba – und berichten darum derzeit nicht allzu kritisch

Flüsternd hatte der Barmann es dem Reporter gesagt: „Schreib nicht, dass du das von mir hast.“ Und der Journalist, der sich für sehr scharfsinnig hielt, schrieb dann, die Information habe er von einem Diplom-Volkswirt, der heute in einem Hotel in Varadero Daiquiris serviere. Kurz darauf wurde der Barkeeper wegen „Kollaboration mit dem Feind“ entlassen. Seine Kollegen werden daher in Zukunft auf neugierige Fragen antworten, dass alles super läuft und die Revolution unaufhaltsam voranschreitet.

Für die kubanischen Behörden ist jeder ausländische Journalist ein potenzieller Gegner. Ein Geflecht aus Genehmigungen und Warteschleifen fesselt alle, die mit Akkreditierung aus Kuba berichten wollen. Das gefürchtete Internationale Pressezentrum zeigt dem Korrespondenten die Grenzen auf und gibt ihm auf die Ohren, wenn er die rote Linie der Kritik überschreitet. Auf dem Spiel steht alles: von der Aufenthaltsgenehmigung bis zur Erlaubnis zum Kauf einer Klimaanlage.

Die internationalen Medien wollen im Land sein, wenn es zur lang erwarteten „Stunde null“ kommt. Seit Jahren halten sie Stellung, um die eine Reportage mit doppelseitigen Fotos von jubelnden Menschen und bunten Fahnen überall in den Straßen zu bringen. Vor ein paar Wochen wurde dem Korrespondenten der spanischen Zeitung El País, Mauricio Vicent, nach 20 Jahren die Aufenthaltsgenehmigung entzogen. Die Behörden meinten, er gebe ein verzerrtes Bild unserer Realität wieder. Sie gaben damit auch ein klares Signal an seine Kollegen. Nach dem Arabischen Frühling ist den Behörden noch bewusster, wie wichtig der Nachrichtenfluss ist.

Dazu kommt: Die Oppositionellen sind so aktiv wie nie zuvor. Es vergeht keine Woche ohne friedliche Proteste kleiner Gruppen. Diese Ereignisse – und die stets folgende Repression – werden öffentlich, weil es immer mehr unabhängige Journalisten gibt und weil die Aktivisten es auch selbst weiterverbreiten. Mit mehr kreativen Tricks, als man sich vorstellen kann, verbinden sie sich über soziale Netzwerke wie Twitter. Die neue Informationswelle aus Bürgerhand spornt auch die internationalen Korrespondenten an, bisher vermiedene Themen aufzugreifen. Sie stehen vor der Entscheidung, entweder ihre Stellung zu sichern, um eines Tages jene große Reportage vom Wandel schreiben zu können. Oder sie beschreiben, was derzeit passiert – mit dem Risiko, dass sie rausgeschmissen werden. So kommt es, dass die ausführlichsten Informationen von den Protesten von dahergelaufenen Nachrichtenneulingen kommen, die die Welt per Mobiltelefon und Internet auf dem Laufenden halten.

Die Autorin lebt als unabhängige Bloggerin in Havanna Foto: dpa