MUSIK

hört auf den Sound der Stadt

THOMAS MAUCH

Es sind ja noch gar nicht alle Fragen beantwortet. Die hier zum Beispiel: „Warum geht es mir so dreckig“, singt es einem also entgegen in dem Lied, das dann mit einiger Dringlichkeit durch ein täglich sich gleich drehendes Hamsterrad hetzt: „Sieben Uhr aufstehen, Kaffee trinken, / zur Arbeit fahren, freundlich sein, den Chef grüßen, / nicht sagen, was ich denke, nicht denken, was ich sage. / Ich möchte am liebsten tot sein und von allem nichts mehr sehen. / Ich möchte am liebsten tot sein und von allem nichts mehr sehen.“ Was man jetzt einfach mal so stehen lassen kann. Aber, what can a poor boy do / Except to sing for a rock ’n’ roll band. Und der Rock ’n’ Roll ist wohl ziemlich genau aus dem in diesem Lied angesprochenen Gefühl heraus überhaupt erst erfunden worden.

Diese Woche ist Festivalwoche, mit dem am Freitag startenden CTM (das „Festival für abenteuerliche Musik und Kunst“ läuft bis zum 1. Februar) einerseits und andererseits Ultraschall (das Festival für neue Musik mit mehr als 25 Ur- und Erstaufführungen in diesem Jahr startete bereits am Mittwoch und geht noch bis Sonntag) – wobei man natürlich auch aufpassen muss, dass einem die Festivals nicht den Blick zur sonstigen Welt verbauen, die sich ja doch weiterdreht, und heute am Donnerstag tut sie das mit recht heftigen Energieschüben: Im Schokoladen macht das ein Dresden-Doppel, bei dem Tarentatec bei ihrem Freakrock das Kunststück schaffen, extrem hibbelig zu sein und sich dabei trotzdem nicht zu verzetteln. „Zappa ohne Zappa“ könnte man das vielleicht nennen. Und bei den musikalisch ähnlich gesinnten Osis Krull möchte man bei deren mit Noise durchgefüttertem Jazzrock unbedingt an so SST-Bands wie Universal Congress Of oder Alter Natives aus den End-Achtzigern erinnern und damit an den von Diedrich Diederichsen postulierten Satz: „SST ist das beste Label der Welt.“ (Ackerstr. 169–170, 20 Uhr) Oder, als Alternative am Donnerstag,, im Monarch das Joint-Venture von Jimmy Trash und Big Daddy Mugglestone für einen Orgel-Schlagzeug-Wahnsinn aus dem Berliner Garagenbeat-Underground, der dazu neu mit einem Interesse für die hypnotischen Energien von arabischen, afrikanischen und Thai-Musiken befeuert wird (Skalitzer Str. 134, 21 Uhr).

Und noch eine Frage: „Wo sind wir jetzt? / Seele versetzt, Herzen verkauft, / ich halt’s nicht mehr aus!“ Muss man vielleicht doch mal nach seinem Herzen schauen, wo das denn abgeblieben ist. Am Freitag spielt die Rock-’n’-Roll-Band Ton Steine Scherben im Kesselhaus der Kulturbrauerei. Weiterhin ohne Rio Reiser, aber immerhin mit R.P.S. Lanrue an der Gitarre (Knaackstr. 97, 20 Uhr, VVK: 25 €).