Mehr Demokratie schlägt zurück

Heute beginnt die Abstimmung über den Volksentscheid für eine verbindliche Volksgesetzgebung. Die Initiatoren wollen, dass Senate direktdemokratische Entscheidungen respektieren müssen

Von Gernot Knödler

Heute geht der Kampf für mehr direkte Demokratie in seine letzte Phase. Per Volksabstimmung können die HamburgerInnen Volksentscheide einfacher und zudem verbindlich machen. Sie brauchen nur den Stimmzettel, der ihnen ins Haus geschickt wird, anzukreuzen und zurückzuschicken. Alternativ können sie am 14. Oktober in einem von 201 Abstimmungslokalen votieren. Soll sich der Vorschlag des Bündnisses „Hamburg stärkt den Volksentscheid“ durchsetzen, muss ihm mindestens jedeR zweite HamburgerIn zustimmen.

Das Bündnis umfasst mehr als 30 Bürgerinitiativen, Umweltverbände, Gewerkschaften, Vereine und Parteien, darunter der Verein „Mehr Demokratie“ und die Patriotische Gesellschaft.

Mit seinem Volksbegehren reagiert das Bündnis auf die rabiate Art, mit der Hamburgs CDU mit einigen Volksentscheiden umgegangen ist. Zwei davon hat sie einfach kassiert: Sie verkaufte den Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK), obwohl sich das Volk dagegen ausgesprochen hatte. Und sie änderte das vom Volk beschlossene neue Wahlrecht.

Damit Ähnliches nicht wieder passiert, will das Bündnis den Volksentscheid als politisches Instrument stärken. Erstens sollen die Hürden niedriger werden: Statt mindestens 20 Prozent aller Wahlberechtigten sollen nur noch 17,5 Prozent mit „Ja“ stimmen müssen, um ein Gesetz zu ändern oder eine Sachfrage für sich zu entscheiden. Bei Verfassungsänderungen soll diese Hürde von heute 50 Prozent auf künftig 35 Prozent sinken. Die 35 Prozent müssen zugleich mindestens zwei Drittel der abgegebenen Stimmen ausmachen. Um die Beteiligung zu erhöhen, sollen Volksentscheide grundsätzlich an Wahltagen stattfinden.

Das Bündnis begründet das damit, dass die Wahlberechtigten schwer für Volksentscheide zu mobilisieren sind. Bei hohen Hürden seien Volksentscheide kaum durchzusetzen. Das ist auch ein Problem des anstehenden Volksentscheids zum Volksentscheid, weil dieser eine Verfassungsänderung beinhaltet. Das heißt: Mindestens die Hälfte der Wahlberechtigten – nicht der Abstimmenden – müsste zustimmen, damit er Erfolg hat.

Zweitens sollen Volksentscheide nicht ohne Weiteres übergangen werden können. Will die Bürgerschaft Volksentscheide aufheben, soll das Volk in einem vereinfachten Verfahren entscheiden können, ob es damit einverstanden ist. Volksentscheide über Sachfragen, die nicht als Gesetze formuliert wurden – wie beim Verkauf des LBK – sollen künftig genauso verbindlich sein wie vom Volk beschlossene Gesetze. Volksentscheide sollen auch zulässig sein, wenn sie finanzielle Auswirkungen haben.

Die CDU lehnt die Vorlage des Bündnisses mit dem Argument ab, sie öffne Volksverführern von links und rechts Tür und Tor. Kleine aktive Gruppen könnten über eine passive Mehrheit hinweg Entscheidungen in ihrem Sinne erzwingen. Für eine Verfassungsänderung sei in der Bürgerschaft eine Zweidrittelmehrheit – 66,6 Prozent – nötig. Nach der Vorlage der Initiative reichten aber schon 35 Prozent der Stimmen. „Wollen Sie, dass so wenige über so viele entscheiden?“, fragt die CDU.

Das Bündnis argumentiert, dass die Bürgerschaft nur einen Teil der Wahlberechtigten repräsentiere: Eine niedrige Wahlbeteiligung, ungültige Stimmen und die Fünf-Prozent-Hürde führten dazu, dass zwei Drittel der Bürgerschaftsabgeordneten nur 41 Prozent der Wahlberechtigten repräsentierten. Weil die Anwesenheit von drei Vierteln der Abgeordneten ausreiche, sei eine Verfassungsänderung im Parlament möglich, wenn nur 31 Prozent der Wahlberechtigten repräsentiert würden.

Am Mittwoch, den 19. September ab 19 Uhr diskutieren Mitglieder des Bündnisses und der CDU im Kaisersaal des Rathauses über den Volksentscheid. Anmeldungen unter info@gal-fraktion.de, info@spd-fraktion-hamburg.de oder per Fax: 42831-2556.