Friedensgespräche gescheitert

LIBYEN Trotz eines ausgehandelten Waffenstillstands brechen erneut Kämpfe zwischen den verfeindeten Milizen aus. Politik ziemlich ratlos

■ Trotz der chaotischen Lage im Land will die EU Grenzschützer nach Libyen entsenden. Das geht aus einem Beschlussprotokoll des EU-Rats hervor, das der taz vorliegt. Demnach sollen Beamte der EU-Grenzschutzagentur Frontex und der Polizeibehörde Europol als Verbindungsbeamte zunächst bei europäischen Botschaften, sobald wie möglich aber auch bei libyschen Behörden angesiedelt werden. Dort sollen sie Informationen über illegale Migration und Schleppernetzwerke sammeln und nach Europa weiterleiten. Für die Mission verantwortlich ist die italienische Botschaft. Der Beginn der Mission ist derzeit noch offen.

AUS TUNIS MIRCO KEILBERTH

Die von der UNO organisierten Friedensgespräche zwischen den libyschen Konfliktparteien in Genf sind vorerst gescheitert. Sondervermittler Bernardino León sagte die für diese Woche geplante zweite Runde ab. Am Montag waren trotz des ausgehandelten Waffenstillstands westlich von Tripolis und nahe dem Ölhafen Ras Dschadir Kämpfe zwischen Armeeverbänden der Karama-Allianz und den in Tripolis regierenden Fadschr-Milizen ausgebrochen.

Der spanische Diplomat León hatte schon vorab vor zu großem Optimismus gewarnt. In Tunis, wo die rund hundert libyschen Delegierten auf weitere Schritte aus dem New Yorker UN-Hauptquartier warten, spielte León die blutigen Antworten der oft unabhängig handelnden Milizen dennoch herunter. „Es gibt bei jedem Waffenstillstand Probleme. Ich bin mir sicher, dass die Milizen dem Ruf der Bevölkerung nach einer friedlichen Lösung folgen werden.“ Seit der Evakuierung fast aller internationaler Organisationen und Vertretungen aus Libyen diktieren die Milizenführer den Politikern mehr denn, was zu tun ist.

Bei der letzten Sitzung des Nationalkongresses nahmen nach Angaben von entsetzten Teilnehmern einige berüchtigte Kommandeure den Parlamentsvorsitzenden Nuri Busahmein wortwörtlich in die Mangel und drohten jedem mit Gewalt, der zu Kompromissen mit den Gegnern in Tobruk bereit sei. „Die ideologischen Unterschiede der beiden Konfliktparteien sind weniger problematisch als die Bewaffneten, mit denen sie sich verbündet haben“, sagt Anas al-Gomati, dessen Institut die politische Lage im Land analysiert.

Landesweit haben Hunderte illegale Milizen aus Menschenschmuggel oder Plünderungen ein einträgliches Geschäft gemacht. Am Ölhafen As Sider bezahlt das Verteidigungsministerium sogar die sich bekämpfende Gruppen. Nach der Rückkehr von Polizei und Armee oder nach einem Friedensschluss wären viele Milizionäre wieder arbeits- und perspektivlos.

Das von Bernardino León ausgegebene Verhandlungsziel ist die Bildung einer Notstandsregierung und die Beendigung der Kämpfe, die allein in Bengasi im Januar 600 Tote forderten. Offen ist, ob die UNO auf die Forderung der Fadschr-Milizen von Premier Omar al-Hassi eingehen, in der libyschen Wüstenoase Ghat weiter zu verhandeln.

Dem international anerkannten und von Tobruk in Ostlibyen aus regierende Premier Abdullah Thenni könnte ein Kompromiss mit Tripolis die Verfügung über das Staatsbudget und die Botschaften kosten. Viele Parlamentarier in Tobruk sehen in den Genfer Verhandlungen ein Einknicken der Vereinen Nationen gegenüber den Extremisten. Extremistische Gruppen wie Ansar al-Scharia und mit dem Islamischen Staat Verbündete sind jedoch von den Verhandlungen ausgeschlossen. In dem anhaltenden Chaos erklären immer mehr Splittergruppen ihre Treue zu dem selbst ernannten Kalifen des Islamischen Staates, Abu Bakr al-Baghdadi. Ihre Zahl ist unbekannt, die Kriegskasse der von der Mehrheit der Libyer abgelehnten Extremisten jedoch gut gefüllt.