Nachts auf Revier 16

Unfreiwillige Stippvisite im Polizeirevier Lerchenstraße endet für 31-Jährigen im Krankenhaus. Er soll eine Sachbeschädigung begangen haben. Schweigen brachte Polizisten offenbar zum Ausrasten

Anfang der 90er Jahre sorgten die Misshandlungen im Revier Lerchenstraße mehrfach für Schlagzeilen und riefen sogar Amnesty International auf den Plan. Besonders die „E-Schicht“ der Beamten tat sich wiederholt durch Übergriffe hervor. Strafrechtlich konnten die Prügelpolizisten nicht belangt werden: Sie deckten sich gegenseitig. Zivilrechtlich allerdings wurde die Stadt mehrfach zu Schmerzensgeld verurteilt. Auch eine Untersuchung von Justizsenator Klaus Hardrath (parteilos) anlässlich des Polizeiskandals 1994 brachte keine Wende. 1999 wurden drei E-Schichtler zu hohen Bewährungsstrafen verurteilt, weil sie den Afrikaner Alimang Sawe misshandelt hatten. In zweiter Instanz wurden sie dann freigesprochen: Sawe war als Zeuge nicht aufzutreiben.  KVA

VON KAI VON APPEN

Es war medial ruhig geworden, um die berüchtigte Lerchenwache im Hamburger Schanzenviertel: Doch nun haben zwei Beamte des Reviers 16 offenbar wieder zugelangt. Zumindest endete für Björn K, einem freien Projekt-Mitarbeiter des Fachbereichs Handel der Gewerkschaft Ver.di, eine unfreiwillige Stippvisite im Lerchenrevier im Krankenhaus.

Björn K. war in der Nacht zum Sonntag im Schanzenviertel unterwegs, als er gegen zwei Uhr in der Ludwigstraße plötzlich von zwei Polizisten in Uniform mit gezogener Waffe angehalten wurde. Sachbeschädigung war die Begründung der Festnahme. Sie brachten den 31-Jährigen in Handschellen zur Wache Lerchenstraße.

Er solle sagen, was vorgefallen sei, hätten ihn die Beamten des Revier aufgefordert, die ihm zuvor die Handfesseln wieder abgenommen hatten. „Ich habe gesagt: ‚Leute, ich sag’ euch gern meinen Namen und meine Adresse, aber sonst lasst mich in Ruhe‘“, schildert Björn K. gegenüber der taz das weitere Geschehen. „Du duzt uns nicht“, hätten die Polizisten erwidert, sodann sei er von zwei jungen Beamten in einen Verhörraum geführt worden, wo er auf einen Stuhl gesetzt worden sei.

„Was war los?“, habe erneut die Frage gelautet, woraufhin Björn K. abermals erwidert habe: „Ich sag’ doch, ich sag nix, das ist mein gutes Recht.“ Plötzlich, sagt Björn K., „sprangen beide auf und zogen ihr Pfefferspray“. Sie hätten gesprüht und dabei lauthals gerufen. „Jetzt hören Sie endlich auf“, obwohl, so K., er gar nichts gemacht habe. „Die haben simuliert, dass irgendwas passiert“, so sein Vorwurf. „Die haben Unmengen an Pfefferspray versprüht.“

Danach seien beide auf ihn draufgesprungen und hätten ihn zu Boden geworfen, dabei sein T-Shirt zerrissen und ihn dann mit Handschellen fixiert. Dabei habe er Prellungen und Schürfwunden am Kopf erlitten, doch viel schlimmer sei gewesen: „Ich habe nichts mehr gesehen und hatte sehr, sehr starke Atemnot wegen des Pfeffersprays“, schildert K., der leichter Asthmatiker ist, die weitere Situation. Er habe gerufen, dass er einen Notarzt brauche, den die Beamten nach einigem Zögern dann auch alarmiert hätten. Drei Kliniken musste der Rettungswagen anfahren, bevor er blind im Krankenhaus Altona angekommen sei, sagt K. – weil die anderen Kliniken nachts nicht über eine Augenabteilung verfügten. Nach der medizinischen Versorgung sei er wieder zur Lerchenwache gebracht worden, wo er in einer Zelle in den Reizgas-getränkten Klamotten ausharren musste. Bitten, Duschen zu dürfen, um das Reizgas abzuwaschen, seien ihm verwehrt worden. „Ich hatte am ganzen Körper Ausschlag.“ Erst nach der erkennungsdienstlichen Behandlung im Präsidium Alsterdorf sei er am frühen Morgen auf freien Fuß gesetzt worden.

„Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, einen Pflasterstein auf einen Funkstreifenwagen geworfen zu haben“, begründet Polizeisprecher Ralf Meyer die Festnahme. „In der Wache ist es zu erheblichen Widerstandshandlungen gekommen.“ Trotzdem sind die Ermittlungen dem Dezernat Interne Ermittlungen übertragen worden, das für Beamtendelikte zuständig ist.

Björn K. bestreitet die Polizeiversion und kann sich den Ausraster nur dadurch erklären, dass die Polizisten sehr jung gewesen seien. „Ich habe sehr selbstsicher gewirkt, als ich nichts sagen wollte“, sagt der Gewerkschafter. „Und das muss sie in Rage gebracht haben.“