völker in der volksrepublik
: Mickymaus ist weißer Teufel

Plötzlich steht dieser Mann da und redet wie ein Wasserfall. Er trägt ein rotes Hemd, eine gelbe Hose und blaue Schuhe. Sein Jackett, das er überm Arm trägt, ist grün. Der Mann hat einen Schnauzer und einen Bierbauch. Schon nach wenigen Worten wird klar, dass hier ein Chinafreund spricht, ein profunder Kenner des Landes. „Ich bin nicht hergekommen, um mich an die Chinesen zu gewöhnen, ich bin hierhergekommen, damit man sich an mich gewöhnt“, sagt er. Als der Mann mit dem Schnauzer noch kein Chinakenner gewesen ist, als er sein Geld als Elektromeister in Biblis verdiente und später mit Fußball, da hat er einmal über sich selbst gesagt: „Ich bin a klä Mickymaus.“ Natürlich, es handelt sich um den großen deutschen Fußballtrainer Klaus Schlappner, der im Hongkou-Stadion von Schanghai schwadroniert. Ohne Klaus Schlappner würde der chinesische Fußball noch in den Kinderschuhen stecken. Im Grunde wäre auch so eine Frauenfußball-Weltmeisterschaft undenkbar ohne den redseligen Entwicklungshelfer aus Deutschland.

Früher hat Schlappner Waldhof Mannheim groß gemacht. Dann wollte er Carl Zeiss Jena groß machen, doch als die klein blieben, ging Schlappner in das große Reich der Mitte und arbeitete fortan an der Vergrößerung des chinesischen Fußballs. Zustände herrschten dort, das kann man sich nicht vorstellen. „Wenn ein Spieler dem Gegner vor die Rübe gehauen hat, dann kam der gleich ins richtige Gefängnis“, sagt Schlappner. Da hat der Deutsche, den sie alsbald nicht mehr Mickeymaus, sondern Shila Puna (weißer Teufel) nannten, schnell Sportgerichte geschaffen. Und eine anständige Liga. Und eine Ordnung. „Ich kam ja aus der Professionalität“, einmal abgesehen von Carl Zeiss Jena, wo er „1991 die Vorprüfung für China“ bestanden hat. Jena und China – liegt beides sehr weit im Osten.

Bereits in den Achtzigern hatte Schlappner sich mit seinen Waldhöfern ins Land des Lächelns aufgemacht. „Da hat uns der Helmut Kohl hingeschickt, wegen der Völkerverständigung.“ Waldhof machte seine Sache gut, die Westler gewannen das Turnier in Fernost. Schlappner knüpfte ein paar Bindungen. Von 1992 an war er dann sogar drei Jahre lang Nationaltrainer Chinas. Er lernte in dieser Zeit, dass auf das Jahr des Schweins das Jahr der Maus folgt, er war erstaunt darüber, dass Deng Xiao Pings Sohn trotz all der „Reformen vom Deng aus dem sechsten Stock gesprungen ist“. Und er sah, dass sich in China prima Geschäfte machen lassen. Da Entwicklungshelfer Schlappner fußballerisch recht erfolgreich war, gab es in der Großen Halle des Volkes einen Orden. Doch wichtiger war, dass er von Staatspräsident Jiang Zemin eine Handelslizenz für die Volksrepublik bekam. Schlappner machte fortan in Bier. „Die Chinesen mögen vor allem Weizenbier und Radler“, sagt er. „Schlappner“ hieß das Getränk. Das Etikett war verziert mit dem Konterfei des Deutschen. Heute gibt es kein „Schlappner“ mehr in Schanghai, was schade ist, denn wir hätten es gern mit einem frisch gezapften Tsingtao-Bier verglichen.

So müssen wir uns mit einem Vergleich des Gestern mit der Gegenwart begnügen. „Jetzt kommen die Leute rein nach China und wollen nur Kohle, Kohle, Kohle“, schimpft „Schlappi“, wie er ob seiner betonten Hemdsärmeligkeit meist genannt wird. Alles gehe viel zu schnell in China. „Das Rad wird unrund. Die Gier gewinnt wahnsinnig an Power.“ Das schade auch dem chinesischen Fußball. Die Profis würden unverschämt, „so wie bei uns daheim“. Das ist alles nicht schön. Bloß gut, dass bald wieder die „deutschen Mädels“ spielen. Wir glauben es kaum, aber die Mädels machen Klaus Schlappner richtig Spaß. „Ich hab das Feeling“, sagt er, „das ist ein guter Haufen, die schaffen was.“ MARKUS VÖLKER

* den Tölpel spielen, ohne den Kopf zu verlieren (altchinesisches Kriegsstrategem)