Wind weht weltweit

Die deutsche Entwicklungshilfe lotet mit ihrem Windenergieprogramm „Terna“ Potenziale in den Entwicklungsländern aus. Aktuelles Fazit: Die Chancen sind gut, doch fehlt es an passenden Anlagen

VON DIERK JENSEN

Windenergie ist wahrlich kein Privileg wohlhabender Länder. Da Wind überall auf dem Globus weht, gibt es nicht nur an den Küsten der Nordsee gute Standorte für die Nutzung von Windenergie: Genauso gute naturräumliche Bedingungen herrschen auch am Horn von Afrika, im Maghreb oder am Indus. Und doch beschränkt sich die industrielle Nutzung des Windes bislang auf relative wenige Länder und Märkte: vor allen Dingen auf die europäischen Staaten, die USA, Japan und in letzter Zeit auch China, Indien und Brasilien. Für die Anlagenhersteller, ob sie nun Vestas, Enercon oder Gamesa heißen, sind dies die Hotspots, auf die sie sich konzentrieren. Wenig Aufmerksamkeit wird dagegen derzeit den Entwicklungsländern zuteil, obwohl viele von ihnen spannende Zukunftsmärkte sein werden.

Und in einigen Fällen schon heute sind. Zu diesem Ergebnis kommt die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) in ihrer neuesten Veröffentlichung zum Terna-Windenergieprogramm. Die GTZ startete mit ihrer Technical Expertise for Renewable Energy Application, kurz Terna, vor über 15 Jahren. Mitarbeiter des bundeseigenen Entwicklungshilfe-Unternehmens unternahmen in zehn Entwicklungs- und Schwellenländern umfangreiche Windmessungen, Planungen, Energieexpertisen und Machbarkeitsstudien. In vielen Fällen war es die GTZ, die in den jeweiligen Ländern die Idee der Windenergienutzung initiierte. Und zwar fernab vom kurzfristigen Cashback-Denken und in Zeiten, als hierzulande die Windenergie politisch noch ums Überleben kämpfte. So wurden in der Vergangenheit 25 Windmessanlagen errichtet und diverse Windkarten erarbeitet. Nebenher gehörte auch immer eine intensive Energiepolitikberatung zum Angebot der GTZ. Herausragendes Beispiel dafür ist sicherlich China, wo der dortige Windenergiemarkt mittlerweile ein atemberaubendes Tempo vorlegt. „Wir ernten jetzt die Früchte der GTZ- Arbeit“, unterstreicht Johannes Schiel vom Verband der Deutschen Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) die Arbeit der deutschen Entwicklungshilfe. Seine Mitglieder profitieren letztlich davon. Der VDMA fungiert wie der Bundesverband WindEnergie (BWE) als Kooperationspartner im Terna-Windenergieprogramm. Wissen doch beide Verbände nur zu gut, dass die exportorientierte Windindustrie langfristig von der, wie es Schiel ausdrückt, „Entwicklung neuer Märkte“ partizipiert. Denn: Schon heute gehen drei Viertel der deutschen Produktion in den Export. „Die GTZ transferiert Wissen in diese neuen Märkte“, sagt Schiel, wenngleich er vor Euphorie warnt: „Die Unwägbarkeiten in manchen Ländern darf man nicht unterschätzen. Die Industrietauglichkeit muss schon stimmen.“

Im Moment offenbart sich ein anderes Dilemma: Das Angebot an Windturbinen kommt der globalen Nachfrage nicht mehr hinterher. Den Kürzeren ziehen in der Regel die Entwicklungsländer. Beispiel Äthiopien: Dort hat die GTZ im Rahmen der bilateralen entwicklungspolitischen Zusammenarbeit Standorte ausgewählt, detaillierte Windmessungen durchgeführt und schließlich eine Machbarkeitstudie für den Betrieb netzgekoppelter Windparks angefertigt. Mit dem Ergebnis, dass die GTZ-Experten den Äthiopiern zum Bau rieten, nicht zuletzt weil die Kosten für die Kilowattstunde Strom in dem ostafrikanischen Land niedriger sind als beim Betrieb von Dieselanlagen. Auf der Grundlage dieser Empfehlung schickte der äthiopische Energieversorger eine Ausschreibung für einen Windpark mit einem Volumen von insgesamt 120 MW in alle Welt. „Die Reaktionen der Hersteller waren verhalten“, bedauert GTZ-Mitarbeiter Tim-Patrick Meyer das Schweigen der Wind-Community zur Offerte aus einem Land, in dem bisher nur eine einzige Windenergieanlage mit 2,5 Kilowatt Leistung in Betrieb ist. Eine paradoxe Situation, zumal mit der Vorarbeit der GTZ die Tür zum äthiopischen Markt offen steht. Und: Der Klimawandel wartet nicht.