Neue Chance für Minsker Abkommen

DIPLOMATIE Ukraine und Russland streben eine entmilitarisierte Zone in der Ostukraine an. Sagen sie jedenfalls

BERLIN taz | Von einem Durchbruch bei der Lösung des Ukraine-Konflikts wollte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier nach einem Treffen mit seinen russischen, ukrainischen und französischen Amtskollegen Sergei Lawrow, Pawlo Klimkin und Laurent Fabius nicht sprechen. Es habe aber „wahrnehmbare Fortschritte“ gegeben. Das Quartett hatte sich am Mittwochabend in Berlin auf eine Demarkationslinie geeinigt, von der aus die Konfliktparteien ihre schweren Geschütze mit einem Kaliber von mehr als 100 Millimetern abziehen sollen.

Jene waffenfreie Pufferzone ist einer von zwölf Punkten des Minsker Abkommens, das Vertreter der ukrainischen Regierung, der prorussischen Separatisten, Russlands sowie der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) am 5. September 2014 beschlossen hatten. Neben einer entmilitarisierten Zone sieht das Abkommen unter anderem eine Waffenruhe in den Gebieten Lugansk und Donezk vor, die die OSZE, genauso wie die russisch-ukrainische Grenze, überwachen soll. Zudem sollen alle illegalen und ausländischen Bewaffneten abgezogen und Gefangene ausgetauscht werden. Ein weiterer wichtiger Punkt des Abkommens ist ein Gesetz über einen Sonderstatus für die Gebiete Lugansk und Donezk, die mehr Autonomierechte erhalten, aber in der Ukraine verbleiben.

Von einer Umsetzung dieser Vereinbarungen kann keine Rede sein. Die Feuerpause war stets brüchig, die Kämpfe um den Flughafen in Donezk brachen nie ab. Dessen Verteidigung war Ziel einer Großoffensive der ukrainischen Armee, die am vergangenen Wochenende begann.

Die OSZE konnte ihrem Überwachungsauftrag nie nachkommen. Nach einem Anschlag auf einen Bus nahe der ostukrainischen Stadt Wolnowacha am 13. Januar 2015 zog die OSZE einen Teil ihrer Mitarbeiter aus Lugansk und Donezk ab. Nach Angaben der Kiewer Regierung hat Russland derzeit 9.000 Soldaten in der Ukraine im Einsatz. Erst vor wenigen Tagen sollen mehrere hundert die Grenze zur Ukraine überquert haben. Bislang bestreitet Moskau den Umstand, dass überhaupt russische Soldaten im Donbass kämpfen.

Zumindest kündigte Außenminister Lawrow in Berlin an, dass Moskau seinen Einfluss auf die Separatisten geltend machen wolle. Ob das geschieht und die von Steinmeier konstatierten Fortschritte wirklich eintreten, werden die nächsten Tage zeigen. BARBARA OERTEL

Meinung + Diskussion SEITE 12