Ey, entspann dich mal, Alter!

Die Idee, junge Migranten als Ansprechpartner auf die Straße zu schicken, ist nicht neu. Die Weddinger Initiative „Cool Steps“ gibt es seit fast einem Jahr. Kiezläufer stärken das Sicherheitsgefühl der Anwohner, sagen Initiatoren

Was in Kreuzberg jetzt als Kiezrevolution gefeiert wird, ist in einem anderen Bezirk längst gang und gäbe – im Wedding. Die Idee ist einfach: Junge Männer mit Migrationshintergrund laufen im Soldiner Kiez, einem Viertel mit hoher Arbeitslosigkeit, viel Armut und vielen Migranten, durch die Straßen. Sie sind da und ansprechbar, jeden Tag von 16 bis 21 Uhr.

Die besonderen Streetworker gehen auf Jugendliche zu, fragen nach Problemen, weisen auf Jugendclubs und andere Angebote hin – und erkennen früh mögliche Konflikte. „Die Idee ist, Jugendliche durch Leute anzusprechen, die authentisch rüberkommen. Das funktioniert gut“, sagt Reinhard Fischer vom Quartiersmanagement Soldiner Straße.

Die Initiative heißt „Cool Steps“, sie wird vom Verein Kiezboom organisiert. Die derzeit vier Cool Stepper, die in Zweier-Teams unterwegs sind, tragen schwarze Jacken mit dem entsprechenden Aufdruck, sie sind mit Taschenlampen und Notizzetteln ausgerüstet – und mit Türkisch- oder Arabischkenntnissen. „Die Jungs besitzen natürlich keinerlei ordnungsamtliche oder gar polizeiliche Befugnisse – sie haben nur ihre soziale Kompetenz und ihr Handy.“

Wobei sie den Anruf bei der Polizei im Idealfall überflüssig machen, die niedrigschwellige Intervention gehört zum Konzept, erklärt Fischer. Wenn eine Gruppe Jugendlicher in einem Internetshop Rabatz macht, sind die Cool Stepper mit Streetcredibility Minuten später da – und führen ein klärendes Gespräch. „Sie stärken so das subjektive Sicherheitsgefühl der Anwohner und Gewerbetreibenden“, zieht Fischer Bilanz. „Die Mehrzahl der Rückmeldungen ist positiv.“ Die Cool -Steps-Initiative läuft seit November 2006, sie wird aus dem Quartiersmanagementprogramm Soziale Stadt finanziert. Und ob die Mittel 2008 fließen, ist laut Fischer noch unklar.

Im Wedding gibt es noch eine andere Idee, die der Kreuzberger ähnelt. Seit 2001 schickt das Quartiersmanagement mehrere Kiezläufer täglich in den Soldiner Kiez. Schon vor Schulbeginn sind aktuell zwei Männer unterwegs, ihre Schicht endet um 15.30 Uhr. Dann übernehmen die Cool Stepper. Die Kiezläufer, denen man durch Einsatzwesten ihre offizielle Funktion ansieht, haben einen anderen, der Tageszeit angepassten Focus: Sie ermahnen Schulkinder, die morgens um kurz nach 8 Uhr noch auf der Straße herumlungern. Sie sprechen Hundehalter an, denen die Hinterlassenschaften ihres Tieres egal sind. Sie registrieren, wenn ein altes Sofa auf dem Bürgersteig steht. Und klingeln auch mal beim Besitzer, wenn sie einen Verdacht haben. Das Ganze gleicht dem Konzept der Kiezstreifen der Ordnungsämter.

Reinhard Fischer erklärt: „Die Kiezläufer üben die soziale Kontrolle aus, die in anderen Bezirken die Nachbarn ausüben.“ Damit Vertrauen entsteht, versucht das Quartiersmanagement, immer die gleichen Leute in den Kiez zu schicken. Die Finanzierung läuft über verschiedene Töpfe der Jobcenter. Auch hier kann Fischer von guten Erfahrungen berichten. „Es steht zum Beispiel spürbar weniger Sperrmüll auf der Straße. Der Mechanismus ‚Da steht was, dann stell ich meinen Kühlschrank dazu‘ wird durchbrochen.“ Zudem sorgten die Kiezläufer – wie auch die Cool Steps – für ein größeres Sicherheitsgefühl der Kiezbewohner, so Fischer.

ULRICH SCHULTE