LESERINNENBRIEFE
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Dünner Identifikationsfaden

■ betr.: „Das ungelobte Land“, tazzwei vom 30. 9. 11

Der grundlegende Fehler von Pötters Text besteht darin, dass er – ähnlich wie Matuschek – seinen individuellen Eindrücken und Erfahrungen den Anstrich von Allgemeingültigkeit verpasst und sie auf das fiktive Kollektiv „Wir“ überträgt. Wer ist dieses „Wir“, das zum Beispiel Weltmeister im Verreisen ist? Zählen dazu die Hartz-IV-Empfänger? Schließen die „Qualitätsmedien für politische Hygiene“ auch die breite Front von Zeitungen und TV-Magazinsendungen ein, die vom reaktionären bis ins progressive Lager mehr oder minder gleichgeschaltet und dafür umso unverblümter die Verstoßung von zum Beispiel Kindermördern aus der simultan halluzinierten „Volksgemeinschaft“ fordern? Der Taschenaufdruck „Deutschland ist kotzescheiße“ wirkt in seiner Formulierung zwar primär infantil, aber gerade die versteckte Drohung, die in der häufig gehörten Entgegnung „Sei froh, dass du in einem Land lebst, wo du das ungestraft sagen darfst“ aufscheint, zeigt nur: Wenn jene, die glauben, sich über die Zugehörigkeit zu einem großen Ganzen definieren zu müssen, durch andere, die dies nicht tun, derart gestört oder verängstigt werden, muss der Faden, an dem die nationale Identifikation hängt, aber ganz schön dünn sein. FRANK PÖRSCHKE, Hattingen

Was für ein schöner Artikel

■ betr.: „Das ungelobte Land“, tazzwei vom 30. 9. 11

Was für ein schöner Artikel, it really made my day! Ich werde ihn für meine Kinder aufbewahren und ihnen zeigen, wenn sie mal wieder was zu meckern haben. Und dann schicke ich sie gleich ins freiwillige ausländische Jahr! SABINE MEURER, Seestermühe

Demokratisches Klima pflegen

■ betr.: „Das ungelobte Land“, tazzwei vom 30. 9. 11

Schön, dass mal jemand zufrieden ist mit Deutschland. Ich bin auch nicht „stolz“, aber zufrieden. Und ich kann nur jedem Ihrer Sätze zustimmen. Wir haben genug „Selbstzweifel und […] Anspruch, es richtig zu machen“. Wir könnten uns auch manchmal etwas entspannen – so schlecht ist das Bild von uns auch im Ausland nicht. Warum meckern wir selbst so viel herum? Weil wir nicht gelernt haben, dass Kritik positiv und negativ sein kann und muss. Weil wir auch in der Schule nur gesagt kriegen, was wir schlecht und falsch machen und wo wir nicht genügen. Was unsere Stärken sind, müssen wir im Laufe des Lebens selber herausfinden. Da können wir von anderen Ländern noch lernen. Ansonsten sollten wir genießen, wie es ist und das demokratische Klima gut pflegen. Die Idee mit dem freiwilligen Jahr im Ausland finde ich sehr gut!

ULRIKE PAYER-KOCH, Unterschleißheim

Schröders Männerpolitik

■ betr.: „Koalition will Männer als Frauenbeauftragte“,taz vom 1. 10. 11

Schröders Politik ist indiskutabel und die Einwände der Opposition sind klar nachvollziehbar. Oder? Mir fehlt hier der Finger auf dem wunden Punkt: Gleichberechtigung und geschlechtliche Gleichstellung, denn hiervon sind alle, auch die Opposition, noch ein gutes Stück entfernt. Zu einem modernen emanzipatorischen Gesellschaftsbild gehört die Achtung und Förderung eines jeden und einer jeden unabhängig vom Geschlecht. Hinter einem Mann als Frauenbeauftragter muss ja nicht unbedingt gleich ein „Frauenhasser“ stecken. Und ein Männerbeauftragter muss nicht unbedingt den Geschlechterkampf forcieren. Allmählich wird es eben doch Zeit, uns von althergebrachten Geschlechterbildern zu verabschieden und nach echten Lösungen zur Gleichberechtigung zu suchen, das muss der gesellschaftliche Diskurs sein, das gehört in den Mittelpunkt gerückt. Die Bestrebungen von Regierung wie Opposition werte ich als halbherzig und oberflächlich. MATTHIAS BLUMENSCHEIN, Aalen