DISKUSSIONSBEREITSCHAFT
: Nur drei Fragen

„Es ist doch nur eine Frage der Zeit!“, sagt ein Jungspund in Sandalen

Allein bin ich zwar in Gesellschaft der Person, die ich am meisten liebe, sagte mal irgendein Narzisst, aber auf Dauer geht das ja auch nicht gut. Also rausgeschält aus den knapp zwei Dutzend Bettdecken und ab auf die Straße. Die griesgrämigen Menschen in grauen Jacken, die meinen Bezirk bevölkern, sorgen immerhin dafür, dass man sich selbst etwas lebendiger vorkommt. „Beats for Kobane“ heißt die Veranstaltung, zu der es mich zieht, und bereits vor der Tür wird dort über den IS diskutiert. Na, das kann ja heiter werden.

Ich schnappe ein paar Halbsätze auf. „Es ist doch nur eine Frage der Zeit!“, sagt ein Jungspund in Sandalen. Ob es bei diesem Wetter eventuell wirklich besser wäre, Socken dabei zu tragen, ist eine schwere, auch modische Entscheidung. „Eine Frage der Zeit?“, antwortet ein in die Jahre gekommener Drehtabakraucher mit Rainer-Langhans-Gedächtnisbrille. „Diese Typen wissen doch nicht mal, welches Jahrhundert wir gerade schreiben, und du willst mir irgendwas von einer Frage der Zeit erzählen!“

Apropos Zeit. Wird Zeit, sich das Konzert anzuschauen. Ein paar sehenswerte politische Rapper aus Berlin und Hamburg geben sich die Ehre, es wird Geld für die kurdische Widerstandsbewegung gesammelt und diskutiert. Schnaps für die Revolution, es gibt Schlimmeres. Einer der Rapper allerdings fällt durch nervtötende Texte auf, die die amerikanisch-zionistische Weltverschwörung thematisieren.

Es wird Zeit, mal kurz frische Luft zu schnappen. Draußen wird immer noch gestritten. Ich wende mich ab, um möglichst nicht mitreden zu müssen, aber keine Chance.

„Darf ich dir mal ein paar Fragen stellen?“, prescht ein Aktivist mit einem Stapel Flugblätter in der Hand vor. „Okay“, sage ich, „aber nur drei Fragen.“ Er schaut verwundert: „Nur drei Fragen?“ Ich nicke: „Jetzt sind es nur noch zwei.“ JURI STERNBURG