Das sanfte Energiebündel

Als Energiekommissar Andris Piebalgs vor knapp drei Jahren mit der Arbeit begann, stand seine Tür neugierigen Journalisten immer offen. Er war ein Neuling in der Brüsseler Behörde, stammte aus dem kleinen, gerade der EU beigetretenen Lettland und bearbeitete ein Thema, das noch nicht richtig auf europäischer Ebene angekommen war. Sein Terminkalender war längst nicht so vollgestopft wie heute. Freundlich und in sanftem Singsang beantwortete er bereitwillig Fragen. Piebalgs war ein Verlegenheitskandidat. Er kam nur zum Zug, weil die eigentlich als Kommissarin für Steuern und Zölle nominierte Ingrida Udre zu Hause in Lettland mit Korruptionsvorwürfen zu kämpfen hatte. Der ungarische Kandidat Lászlo Kovács zeigte bei der Anhörung im EU-Parlament, dass er vom Ressort Energie wenig Ahnung hatte. So wurde Piebalgs Energiekommissar und Kovacs kümmert sich um Steuern und Zölle.

Spätestens im Dezember 2005, als Russland der Ukraine zeitweise den Gashahn abdrehte, war der lettische Kommissar plötzlich begehrter Gesprächspartner für Regierungsvertreter, Stromkonzerne, Umweltlobbyisten und Journalisten. An seiner freundlich-geduldigen Art änderte das nichts. Aber es ist schwieriger geworden, einen Termin bei ihm zu bekommen.

Energiesicherheit und Klimawandel – zwei Themen, die nun ganz oben auf der EU-Agenda stehen und dafür sorgen, dass Piebalgs' politisches Handeln sehr aufmerksam verfolgt wird. „Sein Hauptproblem ist seine mangelnde Durchsetzungsfähigkeit“, sagte der Luxemburger EU-Parlamentarier und Energiefachmann Claude Turmes der taz. „Als Neuling aus einem kleinen Mitgliedsland fehlt ihm die Hausmacht im Brüsseler Apparat.“ Dem Chef seiner Fachabteilung, dem deutschen Generaldirektor Matthias Rüthe, habe er nichts entgegenzusetzen. „Wenn der mit seinen Freunden im Berliner Wirtschaftsministerium klüngelt, kann der Kommissar nichts dagegen tun.“

Turmes bescheinigt Piebalgs aber, lernfähig zu sein. „Er hat verstanden, dass der Schlüssel zur Energiesicherheit in Energieeffizienz und erneuerbaren Energien liegt – und dass wir einen funktionierenden Energiebinnenmarkt brauchen.“ Heute wird der Kommissar das gespannt erwartete Gesetzespaket vorstellen, mit dem der EU-Energiebinnenmarkt verwirklicht, Stromerzeugung und -netze in verschiedene Hände gelegt werden sollen. Der Widerstand großer Konzerne und aus Staaten wie Frankreich oder Deutschland, die am liebsten staatliche Monopole erhalten würden, war im Vorfeld enorm. Heute wird sich zeigen, ob der sanfte Kommissar seinen Überzeugungen treu geblieben ist.

DANIELA WEINGÄRTNER