Parole „rückwärts nimmer“

HISTORISCHE STADTMITTE

Kaum ein Thema, zu dem Andreas Geisel nichts zu sagen hat. Seit seinem Amtsantritt im Dezember serviert der neue Stadtentwicklungssenator fast jeden Tag mindestens einen Vorschlag zur räumlichen oder baulichen Reorganisation des Stadtgefüges: mehr kommunalen Wohnungsbau, Schaffung von Neubauflächen, Straßenbahnen auch für den Westteil der Stadt, neue Straßenführung rund um den Moltkemarkt.

Der Neue im Senat strotzt nur so vor Tatendrang – und will dabei auch einige Areale anpacken, die seit Jahren gepflegt vor sich hin dämmern. Zum Beispiel die historische Stadtmitte, also die Gegend zwischen Alexanderplatz, Schlossplatz und Nikolaiviertel. Die will Geisel, so hat er erklärt, in diesem Jahr „zur Entscheidung bringen“. Und zwar mit einem breit angelegten Dialogverfahren: Anwohner, Touristen, überhaupt alle Nutzer der Gegend zwischen Fernsehturm, Neuem Markt und Rotem Rathaus sollen nach ihren Wünschen für die Gegend befragt werden. Am Ende entscheidet das Parlament.

Die Dialognummer bedeutet – das ist jetzt schon absehbar – eine Absage an die Nostalgie-Extremisten. Eine Eins-zu-eins-Rekonstruktion des historischen Stadtbilds, wie sie Gruppierungen wie die „Gesellschaft historisches Berlin“ propagieren, wird in einem demokratischen Verfahren nie die Mehrheit bekommen. Stattdessen wird es wohl etwas Grün geben, ein paar moderne Neubauten – und weiterhin einen Platz für die Statuen von Marx und Engels, die manche wohl gern stillschweigend abserviert hätten.

Aber das klammheimliche Tilgen von Spuren der DDR-Geschichte aus dem Antlitz der Stadt wird es mit diesem aus Lichtenberg stammenden Senator wohl nicht mehr geben. Andreas Geisel gilt, ebenso wie seine Staatssekretärin Regula Lüscher, als Freund einer gemäßigten und nutzungsorientierten Moderne. Für die „historische“ Mitte könnte es ein gutes Jahr werden. NINA APIN