Bündnis gegen Obama

USA / ISRAEL Der republikanische Chef des Repräsentantenhauses lädt Israels Premier Netanjahu zu einer Rede ein. Präsident Obama will ihn nicht treffen

AUS BERLIN BERND PICKERT

Es ist schon ein gewaltiger Bruch diplomatisch-protokollarischer Gepflogenheiten, der sich dieser Tage zwischen Washington und Jerusalem abspielt. Erst am Dienstag hatte US-Präsident Barack Obama in den wenigen außenpolitischen Passagen seiner Rede zur Lage der Nation erneut auf die Erfolgsaussichten der Atomverhandlungen mit dem Iran hingewiesen. Neue Sanktionen gegen den Iran, wie sie große Teile der oppositionellen Republikaner und einige Demokraten fordern, lehnt Obama ab, um die Verhandlungen nicht zu gefährden. Doch als ob es nicht genügt, dass die Republikaner selbst dem Präsidenten widersprechen, lud John Boehner, der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, kurzerhand Israels Premierminister Benjamin Netanjahu ein, am 3. März vor einer gemeinsamen Sitzung beider Kammern des Kongresses zu sprechen. Netanjahu ist erklärter Gegner der Iran-Verhandlungen und setzt stattdessen auf neue Sanktionen bis hin zur Androhung von Militärschlägen. Netanjahu sagte prompt, dankbar und öffentlich zu – und weder das US-Außenministerium noch der Präsident waren darüber informiert worden.

Noch am Dienstag hatte US-Außenminister John Kerry zwei Stunden lang mit dem israelischen Botschafter in Washington gesprochen – mit keinem Wort hatte der den bevorstehenden Besuch erwähnt.

„Normalerweise kontaktiert ein Staatschef den Staatschef eines Landes, das er zu besuchen gedenkt“, sagte der Pressesprecher des Weißen Hauses, Josh Earnest, vor Hauptstadtjournalisten – so würde jedenfalls Präsident Obama Reisen ins Ausland vorbereiten. „Dieser Fall scheint zu bedeuten, sich von diesem protokollarischen Brauch zu verabschieden.“

Prompt erklärte Obama am Donnerstag, er habe nicht vor, Netanjahu in Washington zu empfangen – was der Präsident damit begründete, Israel befinde sich im Wahlkampf und er wolle sich nicht dem Verdacht aussetzen, in die innenpolitischen Vorgänge des verbündeten Landes einzugreifen. Auch das war eine Ohrfeige für Netanjahu, hatte doch der israelische Premier im US-Präsidentschaftswahlkampf 2012 recht unverhohlen für den republikanischen Kandidaten Mitt Romney Stellung bezogen.

Der Streit über Israel ging jedoch noch weiter: In Verteidigung der US-Verhandlungsposition gegenüber dem Iran hatte Außenminister Kerry von einem Gespräch in Israel zwischen einer US-Senatsdelegation und dem Chef des israelischen Geheimdienstes Mossad, Tamir Pardo, berichtet. Pardo habe sich da, so Kerry, vehement gegen neue Iran-Sanktionen ausgesprochen, denn die seien, „wie eine Granate in den Prozess zu werfen“. Damit hätte sich der Mossad-Chef klar gegen Premier Netanjahu gestellt.

Das Dementi folgte auf dem Fuße: Keineswegs habe er sich so geäußert, sagt Pardo. Und in einer offiziellen Stellungnahme des Mossads heißt es: „Entgegen der Darstellung in den Medien hat der Leiter des Mossad niemals gesagt, er sei gegen weitere Sanktionen gegen den Iran.“ Damit steht der Außenminister des wichtigsten Verbündeten nunmehr in offizieller israelischer Lesart als Lügner da.

Die Geduld des Außenministers habe Grenzen, zitierte denn auch die Washington Post am Donnerstag eine anonyme Quelle aus Kerrys Umfeld: „Die bilateralen Beziehungen sind unerschütterlich. Aber mit diesen Beziehungen politische Spielchen zu betreiben, könnte den Enthusiasmus des Außenministers, Israels wichtigster Verteidiger zu sein, doch arg strapazieren.“

Die Chefin der demokratischen Fraktion im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, beklagte, dass Boehner die Einladung ohne jede überparteiliche Absprache ausgesprochen habe, wie es sonst üblich sei. Und tatsächlich: So bekannt die Nähe der US-Republikaner zu Netanjahus konservativer Likud-Partei auch ist – so unverhohlen ist noch selten das besondere Verhältnis der USA zu Israel für innenpolitische Zwecke ausgenutzt worden.

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