„Miteinander funktioniert“

Ein multikultureller Rundgang durch St. Georg

■ 53, Historiker, Vorsitzender der Geschichtswerkstatt St. Georg und des Einwohnervereins, lebt seit 1981 im Viertel.

taz: Herr Joho, Sie leben seit 1981 in St. Georg. Wie multikulti war das Viertel damals?

Michael Joho: Es gab kein so deutliches Gefälle zwischen der inzwischen aufgeschickten Langen Reihe und dem Steindamm, der auch heute noch von türkischen Läden und – in der Böckmannstraße – der Centrums Moschee geprägt ist. Das Viertel hatte damals, zumindest in den Medien, einen schlechten Ruf. Wenn ich in den 90er Jahren erzählt habe, dass ich in St. Georg wohne, hieß es: „Oh, du Armer!“ Und heute: „Wow, da wohnst du?“

Das hat wohl mehr mit der sogenannten Aufwertung von St. Georg und weniger mit gelungenem Multikulti zu tun, oder?

Sicher geht es auch viel um Verdrängung der alten Bewohnerschaft. Nicht nur in der Langen Reihe können sich die teilweise langjährigen LadeninhaberInnen die Mieten nicht mehr leisten und müssen aufgeben, auch das Flair auf dem Steindamm wird, so meine bittere Prognose, in zehn Jahren ein anderes sein. Diese Entwicklung sagt aber nichts darüber aus, wie hier rund 100 Nationalitäten beinahe reibungslos zusammenleben.

Ein Beispiel?

Nehmen wir das real gewachsene Miteinander der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde St. Georg und vor allem der Centrums Moschee. Hier gibt es einen regen Austausch zwischen Pastoren, Imamen und Gemeinden. Auch im Schorsch, dem ehemaligen Haus der Jugend, gibt es eine entwickelte Zusammenarbeit zwischen verschiedenen multi-ethnischen Gruppen.

Aber was ist gelungenes Multikulti? Afghanisches Restaurant an der Ecke und wenig Ärger?

Natürlich ist es mehr. Aber zusammengenommen zeigt es, dass das weitgehend friedliche Mit- und Nebeneinander hier funktioniert. INTERVIEW: ILK

Rundgang „Von wegen, Multikulti sei gescheitert“: heute, 16 Uhr, und Sonntag, 18 Uhr, Deutsches Schauspielhaus, Kirchenalle 35