Das Ende der Zuständigkeitsübertragung

Die Kreisverwaltung Pinneberg will bürgerfreundlicher schreiben. Deshalb bringt der Medienberater Peter Berger den Mitarbeitern Formulierungen fernab vom Juristendeutsch nahe. Ein Gespräch über das Ende des Hoheitlichen Schreibens

PETER BERGER, 47, ist Medienberater und schult derzeit die Mitarbeiter der Kreisverwaltung Pinneberg in bürgerfreundlichem Schreiben.

taz: Herr Berger, wenn ich mal zitieren darf: „Verständliches Schreiben wird ab dem kommenden Jahr Bestandteil der Zielvereinbarungen werden.“ Ist das schon bürgerfreundlich formuliert?

Peter Berger: Das kommt drauf an, ob vorher erklärt wurde, was eine Zielvereinbarung ist.

Nein, das hat der Landrat in seiner Ankündigung zum „Bürgerfreundlichen Schreiben“ in der Kreisverwaltung Pinneberg nicht erklärt. Ist das ein Fall für Ihre Schulung?

Nein, da haben wir bessere Beispiele.

Wie sollen die Amtsschreiben in Pinneberg bürgerfreundlicher werden?

Wir wollen das Rechtsdeutsch eliminieren, indem wir die komplizierten juristischen Formulierungen so übersetzen, dass jeder das ohne Vorkenntnisse versteht.

Was ist mit den nicht vorgefertigten Schreiben?

Die sind interessanterweise meistens besser.

Halten sich die Behördenmitarbeiter an den juristischen Formulierungen fest, weil sie selber nicht genau wissen, was sie da anordnen?

Es gibt einen Spruch in der Verwaltung: Schreib das Gesetz ab, dann bist du auf der sicheren Seite. Wenn man frei formuliert, ist das nicht ganz einfach und birgt in gewissen Grad das Risiko, dass mal jemand einhaken könnte.

Darf ich als Mitarbeiterin auch nach der Schulung mein Schreiben mit „Sehr geehrte Dame, sehr geehrter Herr“ beginnen?

Sie sollten es sogar. Bevor ich da war, hatte eine Abteilung vorsichtig versucht, „Guten Tag, Herr/Frau“ zu schreiben und bekam Anrufe von Bürgern, ob man etwas falsch gemacht habe, weil man jetzt so anders angesprochen würde. Daraufhin haben die Mitarbeiter überlegt, dass das für eine Behörde vielleicht zu modern sei.

Wie reagieren die Mitarbeiter auf die Sprachschulung?

80 Prozent positiv, 20 negativ. Wobei das interessanterweise viele der Jüngeren sind. Die wollen vermutlich das anwenden, was sie vorher jahrelang in ihrer Ausbildung gelernt haben.

Und was lernen sie nun bei Ihnen?

Das erste ist, Begriffe wie „Grunddienstbarkeitsbewilligungserklärung“ oder Grundstücksverkehrsgenehmigungszuständigkeitsübertragungsverordnung“ zu erklären. Eine andere Regel ist, dass Sätze kürzer werden. Wir haben Beispielsätze mit 79 Wörtern pro Satz.

Aus der Pinneberger Verwaltung?

Nein, aus der EU. Damit muss dann auch eine Verwaltung leben.

Wie ist das im internationalen Vergleich: Sind die Deutschen speziell unverständlich?

Dadurch, dass vorne das Nomen und ganz hinten das Verb steht, hat man schon im Ansatz ein Problem. Die Engländer sind da sicher verständlicher. Der Ton ist auch ein anderer.

Der Amtston?

Häufig sind vorgefertigte Schreiben noch von der ganz alten Verwaltungsschule: Ganz distanziert, wir handeln nur nach Recht und Gesetz, sehr unpersönlich. Ich bin Beamtensohn, ich kenne das von Kindesbeinen an. Wenn jemand solch einen Brief bekommt mit „Der Unterzeichnete ist verpflichtet …“, ist er gleich ein bisschen angefasst.

Ist der Ton nicht Ausdruck einer bestimmten Haltung?

Das war sicher so, aber es gibt in den letzten zehn, fünfzehn Jahren ein Umdenken in der Verwaltung. So dass man dieses Hoheitliche nicht immer so betont und bei den Anlässen, wo es nicht notwendig ist, auch weglässt. INTERVIEW: GRÄ