Ehemalige Regierungschefin auf dem Abstellgleis

THAILAND Das Parlament beschließt ein Politikverbot für Yingluck Shinawatra. Das wird Folgen haben

Politische Gegner, Aktivisten und Journalisten sollen mundtot gemacht werden

AUS BANGKOK NICOLA GLASS

Innerhalb von Stunden war ihr politisches Schicksal besiegelt: Nach einem überwältigenden Votum des Parlaments am Freitag wurde Thailands frühere Premierministerin Yingluck Shinawatra für fünf Jahre aus der Politik verbannt.

Es ging dabei um Yinglucks Rolle bei einem staatlichen Subventionsprogramm für Reisbauern. Dieses galt als unrentabel und anfällig für Korruption. Laut Antikorruptionsbehörde hatten die festgelegten staatlichen Garantiepreise deutlich über dem Marktpreis das Land 4 Milliarden US-Dollar und zeitweise die Position als Weltmarktführer für Reisexporte gekostet.

Zuvor hatte die Generalstaatsanwaltschaft erklärt, Yingluck werde wegen Korruption angeklagt. Wie am Sonntag bekannt wurde, soll die offizielle Anklageverlesung in einem Monat stattfinden. Bei einem Schuldspruch drohen ihr bis zu zehn Jahre Haft. Yingluck hat alle Vorwürfe als politisch motiviert von sich gewiesen: Vielmehr sei es ihrer im Mai 2014 vom Militär gestürzten Regierung darum gegangen, die Reisbauern – einer ihrer wichtigsten Wählergruppen – zu unterstützen.

Als Exregierungschefin mag sie darin versagt haben, dem Programm rechtzeitig Einhalt zu gebieten. Allerdings fehlen Beweise, dass Yingluck persönlich darin verwickelt war. Aber darum geht es ihren Gegnern nicht. Die Abstimmung gegen Yingluck sowie ihre „doppelte Entmachtung“ sind eine Strategie der Militärjunta, um Yingluck und ihr Netzwerk politisch kaltzustellen. Ein fünfjähriges Politikverbot bedeutet, dass sie sich in dieser Zeit keinen Wahlen stellen kann – wenn diese in absehbarer Zukunft überhaupt stattfinden.

Allein die Zusammensetzung des Parlaments spricht Bände: Es wurde vom Militär eingesetzt und wird von Angehörigen der Armee sowie weiteren Gegnern Yinglucks und ihres Bruders Thaksin Shinawatra dominiert. Thaksin war im September 2006 durch einen Militärputsch gestürzt worden; die von ihm gegründeten und finanzierten Parteien hatten seit 2001 alle Parlamentswahlen gewonnen.

Begonnen hatte die Demontage der Yingluck-Regierung schon vor dem Putsch vom 22. Mai 2014. Bewusst hatte die damalige Oppositionsbewegung mit dem Rückhalt ultraroyalistischer und konservativer Kreise seit November 2013 Chaos geschürt, um den Militärcoup zu provozieren. Durch den Staatsstreich war der klägliche Rest der Regierung entmachtet worden. Yingluck selbst und neun ihrer Minister waren bereits zwei Wochen zuvor wegen angeblichen Amtsmissbrauchs durch das Verfassungsgericht ihrer Posten enthoben worden.

Anschuldigungen wegen Korruption sind – ebenso wie die drastisch gestiegene Zahl der Anzeigen wegen Majestätsbeleidigung – zu Instrumentarien geworden, um politische Gegner sowie progressive Intellektuelle, Aktivisten und Journalisten mundtot zu machen.

Ginge es der Junta tatsächlich darum, die Korruption auszumerzen, würde sie selbst auf der Anklagebank sitzen: Schließlich sei das Militär die korrupteste aller Organisationen in Thailands Gesellschaft, monierte Giles Ungpakorn, politischer Aktivist und Expolitikprofessor an der Bangkoker Chulalongkorn-Uni, der 2009 aufgrund einer Anklage wegen Majestätsbeleidigung nach Großbritannien floh. „Die Amtsenthebung und die strafrechtliche Verfolgung Yinglucks sind verlogene und fingierte Mittel, welche die illegale Junta benutzt, um die Demokratie zu zerstören und jene Partei zu köpfen, die sich durchweg massiver Unterstützung aus dem Volk erfreute,“ kritisiert Ungpakorn