„Ich liebe was ich tue“

AFROBEAT Seit 30 Jahren kämpft Femi Kuti für Veränderungen in Nigeria. Ein Gespräch über die Situation in Afrika, den Kampf für den Wandel und die Essenz des Afrobeat

„Ich als Musiker leiste meinen Beitrag, um an einem Wandel mitzuarbeiten“

INTERVIEW KNUT HENKEL

taz: Auf Ihrer letzten Platte „Africa for Africa“ haben Sie die Regierung in Lagos wieder ins Visier genommen, kritisieren latente Korruption und Missmanagement in Nigeria, Herr Kuti. Es klingt als hätte sich kaum etwas geändert?

Femi Kuti: Die Erfolge des demokratischen Wandels sind kaum spürbar. Einzig für die Investoren ist die Situation von Vorteil, denn sie können ihren Geschäften in einer vermeintlichen Demokratie in Ruhe nachgehen. Für die Bevölkerung ist alles beim alten, denn sie haben auch 50 Jahre nach der Unabhängigkeit kein funktionierendes Gesundheits- und Bildungssystem und auch das Strom-und Straßennetz ist nur partiell vorhanden. Als Politiker kannst Du in Nigeria gutes Geld machen, als Normalbürger bist Du latent genervt.

Sie kämpfen seit dreißig Jahren gegen Selbstbedienung und für Selbstbestimmung. Auch weiterhin?

Natürlich ist das frustrierend, aber ich kenne schließlich auch die Hintergründe. Wir leiden unter fünfhundert Jahren Sklaverei, denn diese ganze Geschichte wurde nie aufgearbeitet. Es gibt keinerlei Bewusstsein für den Stellenwert dieser Geschichte und ich als Musiker leiste meinen Beitrag, um an einem Wandel mitzuarbeiten.

Das kann man hören, schließlich mahnen Sie die Afrikaner beim Titelstück des neuen Albums, ihr Schicksal in die eigenen Händen zu nehmen …

Wir müssen lernen, unseren eigenen Kontinent zu lieben, begreifen, dass wir Brüder und Schwestern sind und etwas aufbauen können. Es fehlt doch nicht an Rohstoffen, es fehlt an Willen und Visionen. Es ist hart zu sehen, was im Kongo, was in Somalia passiert. Wir Afrikaner müssen aktiv werden. Dabei brauchen wir Unterstützung, aber auch mehr Zivilgesellschaft, mehr Engagement.

Stücke wie „You can’t buy me“ nehmen Bezug auf ein wesentliches Problem. Welche sind die anderen?

Es fehlt an Ausbildung, um die Zukunft zu gestalten, am politischen Willen, um den Wandel zugunsten der Menschen einzuleiten.

Musikalisch scheinen Sie sich auf die Essenz des Afrobeat zurückzuziehen. Rap- und Elektroelemente sind verschwunden, Orgel und Bläsersätze deutlich dominanter. Wie kam es dazu?

Nach dem letzten Album „Day by Day“ stellte sich die Frage: Wie geht es weiter? Was können, was wollen wir machen und nach den letzten Alben, wo wir uns etwas stärker mit Hip-Hop und Electro beschäftigt haben, war das Bedürfnis zurück zu den Wurzeln zu gehen einfach da. Wir sind zur Basis zurückgekehrt.

Sie nehmen immer wieder Bezug auf Vorbilder – auf Malcom X, auf Patrice Lumumba, auf Ihren Vater Fela Kuti.

Für mich sind das Symbolfiguren für einen anderen Weg und ich hoffe damit auch den Leuten in Nigeria und darüber hinaus einen anderen Weg aufzuzeigen.

Sind Sie als ausgewiesener Regierungskritiker in Nigeria in Gefahr oder kann die Regierung mit Kritik leben?

Ich bin vorsichtig, konsumiere keine Drogen, lasse mir nichts zu Schulden kommen und gehe meiner Arbeit als Musiker und Komponist nach. Ich liebe das, was ich tue, und ich will meinen Beitrag leisten, kritisieren was ist und auch Alternativen für die Zukunft aufzeigen. Das bin ich meinem Land und meinem Kontinent schuldig.

■ Im Vorprogramm der Red Hot Chili Peppers: So, 9. 10., 20 Uhr, o2 World, Sylvesterallee 10