Verspargelung oder Landschaftskunst?

Windkraft, als ästhetisches Problem begriffen: Am Rande der Branchenmesse „Husumwind“ widmete sich ein Forum der Frage, ob die umstrittenen Rotortürme nun die Landschaft verschandeln oder nicht vielmehr einen positiven Beitrag für das Auge leisten

Offshore-Windparks vor Borkum werden nach jahrelangen Verhandlungen mehr als fünfzig Kilometer von der Küste entfernt genehmigt. Kein Tourist soll auch nur die Spitze eines Windrades zu sehen bekommen. Das verteuert so ein Projekt um ein Vielfaches. Und an Land ist die so genannte Verspargelung der Landschaft immer wieder Thema in den langwierigen Diskussionen im Vorfeld der Genehmigungsverfahren. Grund genug für den Windpark-Entwickler „Ostwind“, dieser Tage auf der Branchenmesse „Husumwind“ ein Forum zu „Ästhetik und Windkraft“ zu veranstalten.

„Jeder, der schon mal sein Wohnzimmer eingerichtet hat, glaubt visuelle Kompetenzen zu haben“, schimpft da Richard Schindler. Der Künstler und Soziologe hat vor einigen Jahren, 2003, das erste und bisher einzige Gutachten in Deutschland über den ästhetischen Wert zweier Windkraftanlagen erstellt. „Ein Novum“, sagt Schindler. Inzwischen ist ein Buch darüber erschienen, Titel: „Landschaft verstehen“. „Künstler“, sagt der kleine, grauhaarige Mann, der nur lebhaft wird, wenn ihn etwas wirklich bewegt, „können einen Beitrag leisten bei der Klärung gesellschaftlicher Probleme.“

Seit 1976 bereits ist im Bundesnaturschutzgesetz verankert, dass Landschaftsplanung für den Erhalt der Vielfalt, Eigenart und Schönheit von Landschaft zu sorgen hat. Es geht also um ein Bild von der Landschaft, und da fühlt sich wiederum Richard Schindler zuständig. Er sei als bildender Künstler an den Auftrag einer Expertise herangegangen, sagt er,nicht als Windkraftexperte oder auch nur -sympathisant. Und so bezeichnet er etwa die beiden Mühlen auf dem Hausberg von Freiburg als „Glücksfall“. Woraufhin es seinerzeit Leserbriefe an die Lokalpresse regnete. Ein Glücksfall deshalb, weil die Betreiberfirma „gar keine ästhetische Absicht hatte“, heißt es in Schindlers Gutachten. „Trotzdem wird das Landschaftsbild zurückhaltend, aber prägnant akzentuiert.“ Mehr noch: Windräder könnten gar ein Wahrzeichen für die Region sein.

In die falsche Richtung geht für Schindler, die Räder wie mit einer Tarnkappe zu versehen: Da strich die Betreiberfirma die Sockel der Türme bis in Baumwipfelhöhe grün an, auf dass die Anlage im Wald nicht auffalle. „Das Ideal scheint zu sein, dass die Räder unsichtbar werden.“ Damit wäre aber keine visuelle Auseinandersetzung mit ihnen möglich, bemängelt der Gutachter. Dabei könnte die Bildaussage ja sein: Wir kümmern uns um den Klimaschutz mit umweltfreundlicher Technologie. Der Freiburger Hausberg etwa könnte zum positiven Wahrzeichen werden. Schindlers Herangehensweise ist, aus jedem Einzelfall heraus die ästhetischen Gesetzmäßigkeiten zu entwickeln. Darum möchte er das Ergebnis des Gutachtens nicht verallgemeinern.

Deutlicher wird Jan Oelker. Seit 15 Jahren bereits lichtet der Fotograf Windkraftanlagen ab. Auf dem Husumer Forum ist eines seiner Fotos mit der Frage untertitelt: „Was stört die Kühe mehr? Wandel des Klimas oder des Landschaftsbildes?“ Die Tiere grasen unter Strommasten, im Hintergrund sind die Windräder nur eine Industrieanlage unter vielen. Oelker regt an, Windräder nach Landartgesichtspunkten zu setzen. In Holland, erzählt er, gibt es einen Windpark auf einer schmalen Landzunge. Die in regelmäßigen Abständen gesetzten Anlagen akzentuierten schon von weitem sichtbar deren Verlauf und schüfen so Landschaftskunst.

Kopfschütteln am Messestand des Bundesverbandes Windenergie: Windkraft sei ein Beitrag, um zu verhindern, dass die Meeresspiegel zukünftig um mehrere Meter steigen, ist hier die Meinung. Das sollte mehr ins Gewicht fallen als ästhetische Bedenken. Hermann Reents vom Verband verweist auf das Nachbarland Dänemark. „Die Dänen sind stolz auf ihre Technologieleistung“, sagt er. Und deren Offshore-Windparks seien „von Land aus gut zu sehen“. HELGA BOGNER