Vom Krieg, der niemals aufgehört hat

KONSTANTE Genau zehn Jahre dauert der Krieg in Afghanistan an. Nein – viel, viel länger, sagt der Fotograf Simon Norfolk. Er reiste auf den Spuren von John Burke – der 1879 als Erster Afghanistan fotografierte

Die Männer legen Teppiche in den Staub, um sie herum die Wüste von Kandahar, irgendwo hinter ihnen liegt Camp Leatherneck, die größte amerikanische Militärbasis in Afghanistan. Es sind afghanische Polizisten, die der Fotograf Simon Norfolk nun auf die Teppiche stellt. Zwischen sie formiert er US Marines, arrangiert ein Gruppenbild, fast viktorianisch.

Norfolk, geboren in Nigeria, aufgewachsen in England, Jahrgang 1963, war in diesem und im vergangenen Jahr in Afghanistan unterwegs – als Schatten seines Kollegen John Burke, auf seiner Spur. Burke, um 1843 geboren, gestorben 1900, begleitete die britischen Truppen im Zweiten Anglo-Afghanischen Krieg 1878 bis 1880, „embedded“.

Burke fotografierte nicht die Kämpfe – und auch nicht das Resultat eines Gefechts. „Die Lücke im Herzen seiner Arbeit“, nennt Norfolk das. In dieser Darstellung nähert Norfolk sich Burke an: Es ist der langsame Krieg, den beide festhalten, keine Toten, keine Gefechte, sie schauen ganz ruhig hinter die Kulissen.

Und doch haben die beiden Fotografen ganz unterschiedliche Motive: Für Burke waren die Reisen ein enormes finanzielles Risiko – seine Waren, die Fotografien, mussten sich verkaufen. Und Tote wollte daheim im Königreich niemand sehen. Norfolks Bildern sieht man eine andere Haltung an: Er kritisiert. „Fotografien aus dem Krieg in Afghanistan“ nennt Norfolk die Gemeinschaftsarbeit – Krieg in der Einzahl, nicht im Plural. Er sieht den Krieg heute als Fortsetzung des „Great Game“ um die Vorherrschaft in Zentralasien. „Eigentlich müsste man den Krieg den Vierten Anglo-Afghanischen Krieg nennen“, sagt er, „es ist ein imperiales Spiel, genauso irre, lächerlich und falsch wie die drei davor.“

Fast archäologisch setzte sich Norfolk mit den Fotografien seines Kollegen Burke auseinander. Hat sich die Bilder angeschaut wie ein Forensiker, der Beweisstücke in einem Kriminalfall untersucht. Denn, sagt er, genau das sind diese Bilder: Zeugnisse eines Verbrechens. JANA PETERSEN

Die Fotografien von Simon Norfolk und John Burke sind noch bis zum 12. November in der Galerie Moeller Fine Art in Berlin zu sehen. www.moellerfineart.com