„Die retten schon auch Leute“

VORTRAG Eine Ethnologin diskutiert die Flüchtlingsabwehr der EU im Mittelmeer

■ Ethnologin, Autorin einer preisgekrönten Dissertation, arbeitet am Forschungszentrum Nachhaltigkeit der Uni Bremen.

taz: Frau Klepp, Sie sprechen heute über die EU-Grenzschutzagentur Frontex – mit der Frage „Flüchtlingsschutz oder Grenzkontrolle“? Ist das nicht nur eine rhetorische?

Silja Klepp: Nein. Die sind rechtlich an den Flüchtlingsschutz gebunden. Und die retten schon auch immer wieder mal Leute. Aber im Vordergrund steht das nicht. Klar ist, dass sie eine andere Mission haben – die Flüchtlingsabwehr.

Die Zahl der toten Flüchtlinge im Mittelmeer erreichte zuletzt Rekordwerte.

Die Zahl der Flüchtlinge ist insgesamt stark angestiegen: An den von mir beforschten Küsten in Italien landeten 2013 rund 42.900, 2014 aber schon fast 170.000 Menschen an. In der gleichen Zeit ist die Zahl der Toten dort von rund 800 auf etwa 3.400 gestiegen.

Mittlerweile gibt es die EU-Mission „Triton“, sie hat „Mare Nostrum“ ersetzt. Mit welchem Ergebnis?

Es hat sich sehr vieles geändert. Bei „Mare Nostrum“ stand die Seenotrettung im Fokus, nun verschiebt sich das immer stärker in Richtung Grenzkontrolle. Zugleich sind die technischen und finanziellen Mittel wesentlich beschränkter.

Sie waren als Forscherin selbst unter anderem auf Malta. Wie hat sich die Lage dort in den letzten Jahren entwickelt?

Der Rassismus, die Angst vor Überfremdung und die Hysterie dort sind groß, obwohl die Zahl der Flüchtlinge auf Malta eher gering ist. Aber sie leben oft unter erbärmlichen Bedingungen – und es hat sich in den letzten Jahren auch nichts entscheidendes verändert.

Sie selbst forschen mittlerweile über den Klimawandel im Pazifik. Warum?

Das Elend der Flüchtlinge im Mittelmeer ist ein emotional schwieriges Thema. Ich bin dem Thema aber politisch immer noch verbunden und beobachte das weiter.  INTERVIEW: JAN ZIER

19 Uhr, Lagerhaus, Schildstraße 12–19, 3. Etage