Symbolwirkung im Alleingang

OBDACHLOSIGKEIT Anschlag auf das Haus und das Auto eines SPD-Politikers im Bezirk Mitte verurteilt. Staatsschutz ermittelt. Hoffnung auf den runden Tisch

Der Bezirk Mitte muss für drei strittige Themen Lösungen suchen.

■ Zomia: Für den Bauwagenplatz in Wilhelmsburg gibt es noch keinen festen Ort. Bezirkschef Schreiber möchte die Bauis räumen.

■ Zaun: Der Zaun unter der Kersten-Miles-Brücke ist wieder weg, das Problem Obdachlosigkeit aber bleibt ungelöst. Der runde Tisch soll helfen.

■ Hauptbahnhof: Der Bezirk will der Deutschen Bahn das Recht geben, unerwünschte Personen zu vertreiben. Die Bahn will das nicht.

Der Fraktionschef der SPD in der Hamburger Bürgerschaft, Andreas Dressel, hat den Anschlag auf das Auto seines Kollegen in der Bezirksversammlung Mitte, Falko Droßmann, scharf verurteilt: „Wer so etwas macht, stellt sich außerhalb jeder demokratischen Diskussion“, sagte Dressel am Sonntag. „Einigen geht es offenbar mehr um einen willkommenen Anlass zur Gewalt, als um echte Hilfe für Obdachlose.“

In der Nacht zum Donnerstag hatten Unbekannte eine Scheibe von Droßmanns Auto eingeschlagen und eine Wand seines Hauses in St. Georg mit Parolen beschmiert. Der Staatsschutz hat Ermittlungen aufgenommen. Die Polizei vermutet einen Zusammenhang zwischen den Attacken und dem Streit um den mittlerweile wieder abgebauten Zaun gegen Obdachlose unter der Kersten-Miles-Brücke in St. Pauli. Angesichts des Konflikts um die Räumung des Bauwagenplatzes Zomia in Wilhelmsburg werde unter anderem auch in der autonomen Szene ermittelt.

Auch das Haus von Bezirksamtsleiter Markus Schreiber (SPD), der Hauptfigur im Streit um den Zaun, werde vorsorglich bewacht, teilte die Polizei mit. Die beiden Sozialdemokraten hatten nach dem Abbau des Zaunes am 30. September eingeräumt, dessen „politische Symbolwirkung“ unterschätzt zu haben.

Zugleich rief Dressel zur Besonnenheit in der Debatte über den Kurs des Bezirks Mitte gegenüber Obdachlosen auf. Der runde Tisch unter der Moderation des Synodalpräsidenten der Nordelbischen Kirche, Hans-Peter Strenge, „zeigt einen konsensorientierten Weg auf, um die Probleme sachlich und unter Berücksichtigung aller Belange zu lösen“, glaubt Dressel.

Von einem „Alleingang“ des Bezirksamtsleiters spricht hingegen die Bürgerschaftsabgeordnete Cansu Özdemir (Die Linke). Aus der Senatsantwort auf ihre Kleine Anfrage gehe hervor, dass der Zaun ohne Abstimmung mit den zuständigen Fachbehörden errichtet worden war. Das sei ein Zeichen „für die fragwürdigen Methoden“, mit denen Schreiber „seine Vertreibungs- und Ausgrenzungspolitik durchzieht“, kritisierte Özdemir am Sonntag. SVEN-MICHAEL VEIT