Unterkellert
: Bunkerführung

Nichts ist angeschlossen. Alles bleibt Wunsch

Eine groteske Szenerie: Vor dem Hochbunker in der Reinhardtstraße in Mitte versammelte sich im Spätsommer die Fuckparade. Raue Mengen zugeballerter Fans von Hardcore-Techno standen herum, als wäre die Zeit in den 90ern stehengeblieben und im dort ehemaligen Club Bunker eine gut gefüllte Party abrupt zu Ende gegangen.

Dass die Retro-Rave-Welt und der seit Jahren zum Ausstellungsort umgebaute Betonkoloss nachhaltig getrennt sind, spüren wir beim Warten auf unsere Führung, die an einem anderen, einem ruhigeren Tag stattfindet, zwischen überwiegend auf beruflich-etablierte Art Hemden und Blusen Tragenden. Nirgendwo schwarze T-Shirts mit Aufdrucken wie „Terror Crew“ oder „Bernau“, tja.

Als der Rundgang durch die vier ausgedehnten Stockwerke am ehemaligen Darkroom des Clubs verharrt, wo an den Wänden nach wie vor die schwarze Farbe der neuen, wilden Berliner Jahre klebt, leuchten in einer Vorführung die Phosphorreste auf, welche mit den Ausgebombten des Zweiten Weltkriegs auf ihrer Schutzsuche hereinkamen.

Unweit ist die Installation „Dubplate“ von Marc Leckey: ein schlichtes Soundsystem mit Plattenspieler, nicht mehr aus der Techno-Zeit. Wir fantasieren über noch wenigstens eine Feier. Doch ist nichts angeschlossen. Alles bleibt Wunsch.

Kurz vor dem Ende erreicht die Gruppe einen Aufgang, der zum Dach führt. Dort haben sich die Sammler Karen und Christian Boros eine geschmackvolle Residenz aus Glas und Stahl samt Pool bauen lassen. Die Führerin erklärt, dass es langwierig und kompliziert war, auf dem Dach des denkmalgeschützten Gebäudes ein Penthouse errichten zu können.

Letztlich gelang es, und auf dem Bauantrag wurde vermerkt: „Einfamilienhaus unterkellert“. Wer hat schon einen ehemaligen Partykeller von Albert Speer? Respekt. NIELS MÜNZBERG