Kretschmann warnt die SPD

BADEN-WÜRTTEMBERG Auf ihrem Landesparteitag werben die Grünen für eine „Konsenskoalition“. Prompt kontert der SPD-Fraktionschef: „Die Opposition in Sachen Stuttgart 21 sind die Grünen“

AALEN taz | Fast ein halbes Jahr führen die Grünen nun die Landesregierung in Baden-Württemberg – eine Zeit, in der häufig der Streit um Stuttgart 21 im Mittelpunkt stand und in der viele S-21-Gegner ihren Glauben an die Grünen verloren, weil sie sich oft nicht gegen den Koalitionspartner SPD durchsetzen konnten. Auf dem Landesparteitag am Wochenende in Aalen gab es für die grüne Basis dennoch wenig Diskussionsbedarf.

In kaum einem Beitrag fehlte der Hinweis auf die historische Situation: Die Grünen stellen erstmals den Ministerpräsidenten. Und: Am 27. November gibt es in Baden-Württemberg die erste Volksabstimmung. Dass viele in der S-21-Bewegung diese als Farce ansehen und die Grünen damit ein Glaubwürdigkeitsproblem haben, wurde dagegen kaum thematisiert. Es wäre „tödlich“, sagte Verkehrsminister Winfried Hermann, wenn man der Einstellung folge: „Eigentlich haben wir recht, aber das Quorum schaffen wir nicht.“ Ministerpräsident Winfried Kretschmann sprach von guten Chancen, „dass wir es packen“.

Im Gespräch mit Delegierten vertreten viele Kretschmanns Position: Ohne Volksabstimmung wäre Grün-Rot nie zustande gekommen, der Tiefbahnhof wäre gleich gebaut worden. Dann doch lieber die Abstimmung mit nahezu unüberwindbarem Quorum.

Kretschmann knöpfte sich in seiner Rede den Koalitionspartner vor und rief die Sozis zu mehr Disziplin auf. „Eine Konfliktkoalition in diesem Land, in dem die CDU noch immer sehr stark ist, wird nicht funktionieren“, sagte er, man bräuchte eine „Konsenskoalition“. Als Kretschmann über die schwarz-gelbe Opposition sprach, die zur Kontrolle wichtig wäre, ihre Rolle aber noch finden müsse, sagte er: „Umso dankbarer dürfen wir dem Kollegen Schmiedel sein, der immer wieder in diese Lücke springt.“ Der wortgewaltige Claus Schmiedel ist Fraktionschef der SPD. Dieser reagierte umgehend. „Herr Kretschmann bringt da etwas durcheinander“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. „Die Opposition in Sachen Stuttgart 21 sind die Grünen – und nur die.“ Konsenskoalition klingt anders.

Zur neuen Parteichefin wählten die Grünen am Samstag mit knapp 75 Prozent die Stuttgarter Stadträtin Thekla Walker. Sie tritt die Nachfolger von Silke Krebs an, die Ministerin im Staatsministerium ist. An Walkers Seite wurde Chris Kühn in seinem Amt als Landesvorsitzender mit knapp 96 Prozent bestätigt.NADINE MICHEL