THEATER

betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

ESTHER SLEVOGT

Es ist das Stück aller Stücke und das europäische Überdrama schlechthin: Shakespeares Schauspiel über den Dänenprinzen Hamlet und den faulen Staat, in dem er lebt. Mindestens ebenso faul ist Hamlets Familie: der Onkel, der seinen Bruder (Hamlets Vater) ermordet, um dann selbst die Schwägerin zu ehelichen, die Hamlets Mutter ist und dieses böse Spiel mitspielt. Allerdings ist Hamlet ebenfalls nicht ohne, der die arme Ophelia, die ihn liebt, in den Selbstmord treibt. Aber arm sind sie irgendwie alle, die gottverlassenen Figuren, die der Herr Shakespeare sich vor vierhundert Jahren ausgedacht hat. Überall nur Betrug und Täuschung. Und Theaterspiel! Wie kann man da noch wissen, was wahr ist und was nicht? An der Schaubühne läuft Thomas Ostermeiers Inszenierung mit Lars Eidinger in der Titelrolle seit fast sieben Jahren, ist Kult und schon um die halbe Welt getourt. Am Potsdamer Hans Otto Theater hat sich nun der junge Regisseur Alexander Nerlich das Drama noch einmal vorgenommen. Aus Nerlichs Sicht zeigt Shakespeare in Hamlet einen Menschen, dem die Welt im gleichen Maße fremd geworden ist wie er sich selbst, und der durch seine Suche nach Wahrheit eine tragische Verkettung unglücklicher Ereignisse in Gang setzt und die Welt an den Rand des Abgrunds führt (Hans Otto Theater Potsdam: „Hamlet“, Premiere: 30. 1, 19.30 Uhr).

Komplex ist auch die Welt, die die Dramatikerin Marianna Salzmann in ihren Stücken zeichnet. Meist ist es eine postnationale und postbürgerliche Welt, in der die Menschen mit der Frage kämpfen, wer sie jenseits der ungültig gewordenen Zuschreibungen eigentlich sind. Die alten Identitätsbaupläne funktionieren längst nicht mehr, die neuen sind noch nicht fertig gedacht, ihre Statik bislang ungeprüft. „Wir Zöpfe“ ist das neue Drama überschrieben, das am Maxim Gorki Theater von der jungen Regisseurin Babett Grube uraufgeführt wird: eine Geschichte aus Berlin, in der es russische, kurdische, jüdische, deutsche und amerikanische Einflüsse sowie jede Menge historischen Restmüll aus dem gerade erst vergangenen 20. Jahrhundert gibt (Maxim Gorki Theater: „Wir Zöpfe“, Premiere 4. 2., 19.30 Uhr).

Das Ballhaus Naunynstraße veranstaltet am 31. 1. und 1. 2. eine Konferenz schwarzer deutscher Kulturschaffender. Es geht um die Frage nach Verortung und Selbstauftrag im Deutschland des 21. Jahrhunderts. Und inwieweit die Auseinandersetzung mit Rassismus und der Kolonialgeschichte zu diesem Auftrag gehört. Die Präsentation der Konferenzergebnisse findet am 1. 2. um 16 Uhr statt (Ballhaus Naunynstraße: Konferenz „INDABA“, 1. 2., 16 Uhr).