OFF-KINO

Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

LARS PENNING

Wie kann man umgehen mit dem in Diktaturen geschaffenen „dokumentarischen“ Filmmaterial, dessen Zweck ja ursprünglich auf die Verherrlichung des Regimes abzielte? Wie lassen sich diese Bilder so montieren, dass der ihnen innewohnenden Propaganda etwas entgegengesetzt wird? Und mit welcher Absicht wurden in Ost und West Kompilationsfilme über den Nationalsozialismus hergestellt, und wie wurden sie rezipiert? Diesen Fragen geht die Filmreihe „Die Spur der Bilder“ im Zeughauskino nach. Ein wenig gelungenes Beispiel für den Umgang mit Archivmaterialien stellt der 1977 entstandene Film „Hitler – Eine Karriere“ (R: Christian Herrendoerfer, Joachim Fest) dar, der in seinem auf eine Person verengten historischen Ansatz die läppisch-spekulativen Fernsehdokus eines Guido Knopp vorwegnimmt und mit seinem schwachen Kommentar überhaupt nicht gegen die Macht der Propagandabilder ankommt. Einen völlig anderen Ansatz wählte hingegen der sowjetische Regisseur Michail Romm in seiner Dokumentation „Der gewöhnliche Faschismus“ (1965). Er setzt im Kommentar nicht auf vermeintliche Objektivität, sondern auf Subjektivität: Bitter sarkastisch kommentiert Romm (der, und das ist ebenfalls eine Ironie, auch filmische Oden an Lenin geschaffen hatte) die pompösen Inszenierungen des Dritten Reichs und ironisiert die Bilder durch mehrfache Wiederholungen desselben Filmausschnitts. Dass das Charakterbild des deutschen Spießertums, an dem Romm sich versucht, seinerzeit auch auf die Gesellschaft der damaligen Bundesrepublik gemünzt war, die von der sowjetischen Propaganda in direkter Nachfolge des „Dritten Reichs“ gesehen wurde, muss man hier allerdings gleich mitdenken. (Der gewöhnliche Faschismus, 31. 1.; Hitler – Eine Karriere, 1. 2. Zeughauskino)

Das c/o Berlin widmet Michelangelo Antonionis Filmklassiker „Blow Up“ (1966), der die Popkultur zwischen „Swinging Sixties“ und frühpsychedelischer Ära mit einer Reflexion des Mediums Fotografie zusammenbringt, zurzeit eine ganze Ausstellung. Bei Interesse sollte man den Film um einen hippen Londoner Modefotografen, der in einem Park zufällig ein Foto geschossen hat, das im Hintergrund vielleicht eine Leiche zeigt, auch im Kino sichten. Die Möglichkeit dazu bietet das Lichtblick-Kino, wo David Hemmings in der Hauptrolle versucht, dem Geheimnis einer extrem grobkörnigen Vergrößerung seines Fotos auf die Spur zu kommen. Doch seine Bemühungen verlaufen im Nichts: Je näher er mit seinen Vergrößerungen der möglichen Tat rückt, desto ungreifbarer wird sie. (OmU, 31. 1.–1. 2., Lichtblick-Kino; Ausstellung „Blow Up. Antonionis Filmklassiker und die Fotografie“ bis 5. 4., c/o Berlin)