Der Pinsel als Kochlöffel

KINDER Die Ausstellung „Tausend Punkte treffen sich – der Maler Paul Klee“ im MACHmit! Museum zeigt Leben und Werk des Künstlers. Auf der Spielstraße und am Werktisch können junge Besucher selbst kreativ werden

Im Februar veranstaltet das Museum Werkstätten zu folgenden Themen (genaue Termine unter www.machmitmuseum.de):

Farbregen: Die Kinder ordnen geometrische Schablonen auf einem weißen Blatt an und besprühen bzw. bespritzen es mit Farben. Dann werden die Schablonen entfernt – ein neues Bild ist entstanden.

Bittersüße Inselwesen: Gleich am Eingang hängt eines der größten Bilder, die Klee gemalt hat, „Insula Dulcamara“ von 1938 mitsamt Assoziationen, die Kinder beim Betrachten hatten, wie etwa „Auf der Skaterbahn würde ich gern fahren“. Inspiriert von Klees Arbeitsweise wird hier Zeitungspapier zunächst weiß grundiert, dann mit Ölkreide drauflosgemalt. Anschließend tauschen sich die Kinder darüber aus, was sie in den Bildern sehen, und erleben so die Kunst der Bildinterpretation.

■ „Tausend Punkte treffen sich – der Maler Paul Klee“: MACHmit! Museum, Senefelderstr. 5/6, Di.–So. 10–18 Uhr, bis 6. 12. 2015, 5,50/3,50 Euro www.machmitmuseum.de

VON SYLVIA PRAHL

In kindlicher Kreativität sah Paul Klee (1879 bis 1940) eine Verkörperung des schöpferisch Unbewussten. Er setzte Kindlichkeit als Mittel für seine Kunst ein, nutzte die „positive Weisheit“ der Kinder in seinem Schaffen, allerdings wohlkalkuliert und bis ins Detail durchdacht, als Zeichen der Loslösung vom Ballast von Kultur, Zivilisation und Intellekt.

Die neue Jahresausstellung „Tausend Punkte treffen sich – der Maler Paul Klee“ im MACHmit! Museum in Prenzlauer Berg lädt nun Kinder ab vier Jahren ein, sich mit dem Werk Klees interaktiv und spielerisch auseinanderzusetzen. Gleich beim Betreten des Museums, das in einer ehemaligen Kirche untergebracht ist, erinnert im Vorraum ein Relief einer orientalischen Hauswand daran, dass viele Aufenthalte in südlichen Ländern Klee inspiriert haben. Insbesondere die berühmte Reise nach Tunesien, die er 1914 mit den Malerfreunden August Macke und Louis Moilliet unternahm, war bezüglich Licht und Farbe ein Erweckungserlebnis für den damals 34-Jährigen, das sein Schaffen bis zum Lebensende bestimmte.

Ein großformatiges Foto, das Klee auf jener Reise versonnen genießerisch auf einem Esel reitend zeigt, ist dann auch die erste Attraktion, die von den beiden fünf- und sechsjährigen „Testpersonen“ wahrgenommen wird. Ein nebenstehender Text verweist auf weitere Inspirationsquellen: Antike Kunst, abstrakte und impressionistische Malerei sowie ägyptische Hieroglyphen – Einflüsse, die in den für die Ausstellung ausgewählten Werken –, es sind alles gut gemachte Reproduktionen, die sich in Größe und Rahmung an den Originalen orientieren – leicht zu erkennen sind. Nachdem wir den Anfang des Rundgangs gefunden haben, beeindrucken die Zeichnungen, die Paul, wie Klee im weiteren Verlauf freundschaftlich genannt wird, als Kind gemacht hat. Die kleinformatigen Zeichnungen zeigen Figuren und Tiere, die bereits ein künstlerisches Ausnahmetalent erkennen lassen.

Sie sind in Kisten verstaut und können auch in die Hand genommen werden. Spätere Bilder sind chronologisch gehängt, bis zu drei Stück pro ausgewähltem Jahr. Auf dem Fußboden sind kurze, in kindgerechter Sprache verfasste Infotexte angebracht, die über simple biografische Fakten hinausgehen. So berichten sie beispielsweise davon, dass Klee ein begabter Geigenschüler war, in der Schule jedoch bald schlechte Noten bekam. Oder dass Klee, während seine Frau Lily als Klavierlehrerin für den Familienunterhalt sorgte, Sohn Felix hütete, in der Küche malte und ab und zu den Pinsel als Kochlöffel benutzte.

Zur besseren Einordnung werden neben den Kunstwerken auch zeitgenössische Ereignisse genannt, von der Entdeckung des Penicillins 1919 bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933.

Die Fülle der gezeigten Bilder gibt zwar einen vielschichtigen Einblick in das Universum Klees, wirkt aber auf Groß und Klein auch wegen der sehr gedrängten Hängung eher erschlagend als inspirierend. Eine unkommentierte Bilderstrecke konservativer zeitgenössischer Malerei sowie eine Fotoecke, die ebenfalls ohne weiterführende Informationen Stationen aus Klees Leben zeigt, überfordern und verwirren.

Ein liebevoll eingerichtetes Atelier vermittelt einen Eindruck davon, wie Klee gearbeitet hat

Die Spielstraße – eine Leihgabe des creaviva Kindermuseums aus dem Paul Klee Zentrum in Bern – beflügelt die Sinne aller anwesenden Kinder mehr. Dort können sie mit Perlen und geometrischen Formen hantieren und dabei die Farb- und Formenwelt Klees selbst erleben: mit Punkten und Linien ein Bild entstehen lassen und mit ihrer neuen Anordnung ein neues Bild kreieren. Irgendwann sind die Kinder doch zu bewegen, sich näher mit einem Bild zu beschäftigen. Je länger wir vor „Tiere begegnen sich“ von 1938 verweilen, desto mehr Tiere werden entdeckt, die Kinder erfinden Geschichten, was die Tiere miteinander verbindet.

Nach einem Abstecher ins Spiegelkabinett, das dauerhaft im Museum installiert ist und den faszinierten Kindern in gesichertem Rahmen feste räumliche Bezugspunkte abhandenkommen lässt, erklimmen wir die Treppe ins Obergeschoss, das von einem riesigen Kletterregal dominiert wird. Dort toben sich die Kinder erst einmal aus. An den einzelnen Werktischen geraten die Kinder danach mit Klebefolien, Stempeln, Pinseln und Farbe in einen Farb- und Bastelrausch. Die Kreationen nehmen sie mit nach Hause.

Ein liebevoll eingerichtetes Atelier vermittelt einen Eindruck davon, wie Klee einst gearbeitet hat: Die Bilder entstanden nicht am Tisch, sondern auf einer Staffelei, und die Farben hat er selbst angerührt. Im Verlauf der Ausstellung, die sich laut Pressesprecherin Sina Maatsch noch lebendig weiter entwickeln und vervollständigen soll, werden hier auch Workshops stattfinden. Ziel soll sein, dass Kinder ihre Kreativität austesten, nachdenken und das Gesehene auf sich wirken lassen.