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Archiv-Artikel

Dornröschenschlaf bald zu Ende

IMMOBILIE Jahrelang hat ein russischer Investor das Areal des ehemaligen Kinderkrankenhauses Weißensee links liegen gelassen. Nun soll das Gelände an den Liegenschaftsfonds zurückgehen. Der plant hier teure Wohnungen – weil die Instandsetzung kostspielig wird

Kinderkrankenhaus

■ 2005 verkaufte der Liegenschaftsfonds das Gelände des ehemaligen Kinderkrankenhauses in Weißensee an die russische Firma MWZ Bio Resonanz GmbH.

■ Das Unternehmen plante, dort ein Forschungszentrum für alternative Krebsforschung zu errichten, und verpflichtete sich im Kaufvertrag, einen Bauantrag und Investitionen in Höhe von 6 Millionen Euro bis 2006 zu tätigen, andernfalls könne der Liegenschaftsfonds den Vertrag rückabwickeln.

■ Bio Resonanz begann nicht mit dem Bau. Trotzdem trat der Liegenschaftsfonds erst 2013 vom Vertrag zurück und verklagte die Firma auf Rückabwicklung.

VON ANNA BORDEL

Der Zaun, der das Areal umgibt, erzählt die Geschichte der letzten 18 Jahre: Teile eines rostigen Maschendrahtzaunes werden an einigen Stellen von einem Eisengitter gestärkt, das bereits an vielen Stellen heruntergebogen wurde. Lose Baugitter und mancherorts sogar Stacheldraht sollen das Hindurchkommen verhindern – zwecklos, allein an der Vorderseite des 28.000 Quadratmeter großen Geländes sind zahlreiche Einstiegsmöglichkeiten. Hinter den Zäunen fällt der Blick auf das einst herrschaftliche Säuglings- und Kinderkrankenhaus Weißensee, umgeben von einem Müllteppich an Wahlplakatschildern, Werbepostern, versifften Sofas, Matratzen und Plastik. Schutt und Glassplitter sind der Bodenbelag, die Wände mit Graffiti beschmiert, abgerissene Kabel hängen herum. Aus dem Dach des runden Erkers ragen verkohlte Dachgiebel.

Doch schon bald könnte dieses Gelände wieder dem Land Berlin gehören. Das Landgericht Berlin hat am 14. Januar 2015 geurteilt, dass das Gelände an der Hansastraße in Weißensee an den Liegenschaftsfonds Berlin zurückgehen soll, wie die Richterin Annette Gabriel bestätigte. Bedingung ist Gabriels Aussage zufolge, dass die 5,25 Millionen Grundbuchschulden aus dem Grundbuch gelöscht werden und die derzeitige Eigentümerin MWZ Bio Resonanz eine Strafe in Höhe von rund 125.000 Euro zahlt. Sobald beide Parteien dem Urteil zustimmen werde es rechtskräftig.

Baustadtrat des Bezirks Pankow, Jens-Holger Kirchner (Grüne), wartet seit Jahren auf diese Entscheidung und trotzdem äußert er sich jetzt vorsichtig. „Bei aller Freude über das vorläufige Urteil müssen wir mit der weiteren Planung zurückhaltend sein“, sagt er. Er weiß, dass der russischen Firma MWZ Bio Resonanz in der Vergangenheit nicht zu trauen war. Dass auch der Liegenschaftsfonds, die Gesellschaft, die für Berlin Gelände veräußert, schuld an dem jahrelangen Verfall des Geländes ist, dazu sagt er nichts.

Prachtvoll ist hier schon lange nichts mehr

Denn seit 1996 sind die Gebäude auf dem Areal an der Hansastraße sich selbst überlassen. Außer Zerstörungswütigen und Touristen zieht es niemanden hier her. Viele der im Jahr 1911 gebauten Gebäude stehen unter Denkmalschutz, prachtvoll sind sie aber schon lange nicht mehr. 2005 fand der Berliner Liegenschaftsfonds zwei Interessenten für das Gelände. Es war jene Zeit, in der noch nicht klar war, dass Berlin einmal nach jedem Fitzel Baufläche für Wohnhäuser lechzen würde. Und so verkaufte der Liegenschaftsfonds das Gelände an den Höchstbietenden, die russische Firma MWZ Bio Resonanz GmbH, die einen moderne Klinik für alternative Krebsforschung auf dem Gelände hochziehen wollte.

Der zweite Interessent, das Kulturbildungszentrum Raoul Wallenberg (KuBiZ), ging leer aus, obwohl der Bezirk Pankow sich für ihn einsetzte, wie der damalige Bezirksverordnete Andreas Otto (Grüne) sagte.

Über das Unternehmen MWZ Bio Resonanz GmbH ist wenig herauszufinden. Sie sei in der physikalischen und biologischen Forschung tätig und entwickle Computersoftware, heißt es auf einer Website, die Firmenprofile erstellt. Eine eigene Website oder Kontaktdaten sind im deutschsprachigen Netz nicht zu finden. Seit 2007 zog die Firma drei Mal innerhalb Berlins um und hatte fünf verschiedene Geschäftsführer. Elena Dvordiadkina, eine ehemalige Geschäftsführerin, hatte zeitweise zahlreiche weitere Firmen am selben Standort in der Leipziger Straße gemeldet, allerdings war dort nichts weiter als Briefkästen mit den Namen der Gesellschaften zu finden. Seit März 2014 ist der alleinige Geschäftsführer Holger Bernd Johannes Ruckaberle.

Obwohl der Kaufvertrag das russische Unternehmen dazu verpflichtete, hat Bio Resonanz bis heute nicht mit den Baumaßnahmen begonnen. Wollte die Firma die denkmalgeschützten Gebäude einfach für ein Vielfaches weiterveräußern? Oder abwarten, bis die denkmalgeschützten Häuser so weit verrottet sind, dass der Schutzstatus aufgehoben wird und sie einfach abgerissen werden können, um am Ende günstig ein Forschungszentrum errichten zu können?

Anwohner aus Weißensee vermuten längst, dass die Firma mehr tat, als nur abzuwarten, dass die Gebäude verfallen. Es sei kein Zufall, dass die Gebäude in den letzten Jahren Dutzende Male in Flammen standen, meint Fred Bethke, der schon seit neun Jahren von seinem Schlafzimmer auf das Krankenhausgelände gucken kann. Er selbst hat schon mehrfach die Polizei gerufen, weil eines der Häuser gebrannt hat. „Einmal, da habe ich aus meiner Wohnung Funken aufsteigen sehen, dann bin ich rausgelaufen und habe gesehen, dass es tatsächlich wieder mal brennt und habe die Polizei angerufen.“ Die Flammen hätten irgendwann 20 Meter hoch gebrannt, meint Bethke.

Mittlerweile seien die Anwohner sehr wachsam; sobald sich auf dem Gelände etwas bewegt, informieren sie die Polizei. „Dass das nicht nur Zerstörungswütige sind, ist der Polizei auch klar“, sagt Bethke. Häufig konnte er das gleiche Fahrzeug beobachten, das auf das Gelände fuhr und dort blieb. Einige Zeit später hätte es immer gebrannt. Das Fahrzeug gehöre der russischen Firma, „die wollen natürlich die denkmalgeschützten Gebäude abfackeln damit sie dort bauen können“, sagt Bethke.

Die Instandsetzung der stark zerstörten, denkmalgeschützten Gebäude wird teuer

Ob der Liegenschaftsfonds 2008 wirklich noch hoffte, dass die Firma mit dem Bauen beginnen würde, und deshalb nicht vom Kaufvertrag zurücktrat, ist unklar. Getan hat er es jedenfalls erst viel später. Bis 2013 ließ die landeseigene Wohnbaugesellschaft ein Gelände, das Platz für zahlreiche Wohnhäuser bieten könnte, weiter verrotten. Indes versuchte die russische Firma einige Teile des Geländes für Millionen an das Immobilienunternehmen Terraplan weiter zu veräußern, was misslang. Der Liegenschaftsfonds stimmte dem nicht zu. 2013 trat er dann endlich vom Kaufvertrag zurück und verklagte die MWZ Bio Resonanz GmbH auf Rückabwicklung des Kaufvertrags.

Sozialen Wohnungsbau gibt’s hier schon genug

Was mit dem Gelände passiert, sollte es an Berlin zurückgehen, das sei indes unstrittig, sagt Baustadtrat Kirchner: Wohnungsbau, allerdings kein sozialer. „In einem erneuten Vergabeverfahren würde das Gelände an einen Interessenten gehen, der im eher hochpreisigen Segment Wohnungen baut“, sagte Kirchner. Vor ein paar Jahren hätte schon einmal Unternehmen Interesse bekundet. Ob er damit Terraplan und den Verkaufsversuch meint, sagte er nicht.

Die Instandsetzung der mittlerweile stark zerstörten, denkmalgeschützten Gebäude sei so kostspielig, dass nur hochpreisiger Wohnungsbau infrage käme. „Das ist an dieser Stelle auch gar nicht schlimm“, so Kirchner. „Rings um das Gelände ist sozialer Wohnungsbau, da ist Platte. Etwas teurere Wohnungen könnten sogar ein Gewinn für den Kiez sein.“