20 Jahre politisches Kaffeetrinken

1987 entstand aus der Solidaritätsbewegung mit der Revolution in Nicaragua El Rojito. Mit der „Sandino Dröhnung“ kam die Politik in die Kaffeetasse. Ein Interview mit Magnus Kersting, seit vielen Jahren bei El Rojito aktiv

taz: Magnus Kersting, El Rojito spricht vom anderen, alternativen Kaffeehandel, nicht vom „Fairen Handel“ – warum?

Magnus Kersting: Das, was wir machen, ist wesentlich älter als der „Faire Handel“. Es ist aber auch gewissermaßen der Ursprung. Ohne die Geschichte des alternativen Handels ist der „Faire Handel“ nicht denkbar. Alternativer Handel war zu Beginn die Bezeichnung, da wir anders handeln wollten als die großen Kaffeekonzerne. Dabei haben wir zwar den Anspruch gehabt, fairer zu sein, haben aber gleichzeitig die Form unseres Handels nie als „das Faire“ angesehen. Wir sind uns bewusst, dass auch der Handel, wie wir ihn betreiben, noch weit von gerechtem Handel entfernt ist.

Alternativer Handel unter kapitalistischen Marktgesetzen – ist das nicht sehr aufreibend?

Es ist aufreibend, aber auch spannend. Dabei bleibt es immer eine Gradwanderung. Wir kommen ja nicht aus der Weltladen-, sondern aus der Solidaritätsbewegung, die sich immer auch als politische und kapitalismuskritische gesehen hat. Aber die Formen der politischen Arbeit haben sich verändert, verlagern sich von Basisarbeit zu Lobbyarbeit. Zumindest in Hamburg ist die Bewegung der Foodcoops sehr stark zurückgegangen. Zugleich gibt es im Supermarkt ein breites Angebot an „fairem“ Kaffee. So stand bei uns irgendwann die Entscheidung an, auch über diesen Weg zu verkaufen.

Den KaffeebäuerInnen zahlt ihr einen höheren als den Weltmarktpreis?

Wir zahlen an Kooperativenverbände, nicht direkt an die ProduzentInnen. Diese verkaufen den Kaffee teilweise über den fairen und alternativen Handel, aber nicht zu hundert Prozent. Die ProduzentInnen bekommen einen gemischten Preis. Das ist wesentlich gerechter, da das zur Verfügung stehende Geld gleichmäßiger verteilt wird.

In den Internationalismus-Debatten der 90er Jahre gab es zunehmend Kritik an den Konzepten „nationaler Befreiung“. Hatte diese Debatte bei euch Auswirkungen?

Ja, natürlich. Wir haben diese Entwicklung genauso durchlebt. Zunächst haben wir das nationale Projekt Nicaragua unterstützt, einen Kontakt zu den ProduzentInnen gab es gar nicht. Jetzt arbeiten wir mit Kooperativenverbänden zusammen. Alle zwei Jahre machen wir eine Delegationsreise nach Nicaragua, El Salvador und mittlerweile auch Mexiko, wo wir den direkten Kontakt zu den ProduzentInnen und den Verbänden vertiefen.

Was sind für dich sinnvolle Ansätze von Solidarität?

Der Austausch mit Menschen ist sicherlich wichtig. Trotz all der Probleme, die es birgt, kann auch das Reisen z. B. nach Nicaragua, sofern es eine gewisse Auseinandersetzung mit den Problemen der Länder gibt, eine sinnvolle Sache sein. Einfach um zu lernen, dass Leben auch ganz anders aussehen kann als hier bei uns.

Was empfiehlst du jemandem, der euer Kaffeesortiment noch nicht kennt?

Probieren! Es schmeckt einfach gut. Und gerne auch in unserem Café in der Großen Brunnenstraße 68, das wir seit etwa drei Jahren betreiben, vorbeischauen und probieren.

INTERVIEW: GASTON KIRSCHE

Fachtagung „Fairer Handel: Solidarität im Supermarkt? Positionen und Perspektiven im anderen Kaffeehandel“: Fr, 28. 9., 11–18.30 Uhr, Werkstatt 3, Nernstweg 32–34 Infos und Programm: www.el-rojito.de, Anmeldung unter kaffee@el-rojito.de oder ☎ 390 68 98