UNZERTRENNLICH
: Mein Bändel und ich

Bald ist es aus mit mir und dem Bändel

Wir sind jetzt seit einer Woche zusammen. Seither sind wir unzertrennlich. Wir schlafen zusammen und fahren zusammen Rad. Wir essen gemeinsam. Ja, wir gehen sogar zusammen unter die Dusche. Und wenn ich im Augenblick die Muße hätte, ins Schwimmbad zu gehen, wäre es auch immer dabei: Mein Bändel und ich, wir können nicht mehr voneinander lassen.

Das Bändel habe ich am letzten Freitag bei der Eröffnung der Ausstellung des Club Transmediale-Festivals im Bethanien bekommen. Eine Pressemitarbeiterin legte es mir mit der präzisen Sorgfalt einer Artzhelferin, die eine Grippeschutz-Impfung verabreicht, um das Handgelenk, zog den Plastikverschluss fest, und verband mich und das Bändel für die nächsten zehn Tage.

Alle, die bei Transmediale und Club Transmediale akkreditiert sind, bekommen so ein Bändel. Mit dem dürfen sie dann in fast alle Konzerte, Vorträge, Partys und Performances bei diesen Veranstaltungen. Es laufen also gerade Hunderte von Leuten mit so einem Bändel durch die Stadt!

Wenn ich jemand in der U-Bahn sehen würde, dem so ein Bändel-Fitzelchen aus dem Jackenärmel baumelt, würde ich ihm verschwörerisch zugrinsen. Da ich immer Fahrrad fahre, sehe ich aber nie Leute mit Bändel in der U-Bahn.

Mein Bändel ist grün und aus einem unzerreißbarem Stoff. Wenn man sich duscht, klebt es nachher nass am Handgelenk, trocknet aber erstaunlich schnell. Wenn man das Plastikstück, das es zusammenhält, zu weit nach innen schiebt, sitzt es so eng, dass es mir fast das Blut abschnürt. Was man dann macht, das weiß ich auch nicht.

Am Montagmorgen werde ich das Bändel mit der einzigen Methode, es loszuwerden, entfernen: indem ich es kaltherzig durchschneide. Und dann ist es vorbei mit der zahnspangenhaften Symbiose zwischen mir und dem Bändel.

TILMAN BAUMGÄRTEL