Kopfloser Wahlkampf

Die Linke zieht in den Bürgerschaftswahlkampf – aber mit wem? Vor dem Parteitag an diesem Wochenende sind drei mögliche Spitzenkandidatinnen im Gespräch. Auch um die weiteren Listenplätze dürfte kräftig gerangelt werden

„Hamburg für alle – sozial, ökologisch und solidarisch“: Unter diesen Motto wird die Linke ab morgen auf ihrem zweitägigen Parteitag den Bürgerschaftswahlkampf einleiten. Doch wird es in Farmsen, wo am Samstagmittag auch Parteichef Oskar Lafontaine sprechen soll, besonders solidarisch zugehen? Konfliktstoff gibt es genug. So konnte sich der Vorstand der in Hamburg 1.300 Mitglieder zählenden Partei bislang noch nicht mal auf eine Spitzenkandidatin einigen.

Seit Wochen ist die 58-jährige Lehrerin Dora Heyenn, die fast 28 Jahre lang Mitglied der SPD war und für die Partei auch als Abgeordnete im Kieler Landtag saß, als Zugpferd im Gespräch. Antreten will sie „hundertprozentig“: Nach eigener Einschätzung kann Heyenn ehemalige SPD-Wähler erreichen. Doch es gibt Bedenken: Manchen ihrer neuen Genossen gilt Heyenn als Karrieristin, und einige fürchten, dass die Pragmatikerin sehr schnell Bündnisse mit ihrer alten Partei oder den Grünen anstreben dürfte. Auf dem Juli-Parteitag fiel sie bei den Vorstandswahlen denn auch glatt durch.

Gegenüber der taz stellt die Kandidatin zwar klar, dass „Opposition etwas Ehrenhaftes“ sei, sagt aber im selben Atemzug, dass die Frage von Tolerierungen oder gar Koalitionen nicht „prinzipiell“, sondern nur „inhaltlich“ beantwortet werden könne. Der Maßstab für punktuelle Bündnisse mit Rot-Grün sei, ob damit „Verbesserungen für die Lebensperspektive der vom Wohlstand abgespaltenen Bevölkerung“ erreicht werden könnten.

Als Alternativen zu Heyenn werden vor dem Parteitag die Diplom-Psychologin Zaman Masudi und die Journalistin Kersten Artus gehandelt. Die seit 1971 in Deutschland lebende gebürtige Iranerin Masudi würde sich in der Bürgerschaft vor allem für „soziale Gerechtigkeit“ und besonders für die Rechte der MigrantInnen und Flüchtlingen einsetzen. Artus, Betriebsrätin des Bauer-Verlags, gilt als ausgewiesen teamfähig. Doch beide Frauen besitzen ihren innerparteilichen Kritikern zufolge „zu wenig Charisma und wirtschaftspolitische Kompetenz“, um die Partei in den Wahlkampf zu führen.

Kräftig gerangelt wird auch um die weiteren Plätze. Weil die Liste geschlechterquotiert sein soll, können sich die bisher 21 männlichen Bewerber nur auf vier der als aussichtsreich erachteten Listenplätze bewerben. Chancen werden dem Sozialwissenschaftler Joachim Bischoff, dem Erwerbslosenvertreter Wolfgang Joithe, Parteisprecher Herbert Schulz und dem früheren Regenbogen-Abgeordneten Norbert Hackbusch eingeräumt. Als sicher gilt, dass Linkspartei-Landessprecherin Christiane Schneider Platz 3 bekommt.

Für Konfliktstoff ist auch auf der am Tag vor der Kandidatinnenkür geführten Wahlprogrammdebatte gesorgt: Umstritten ist hier vor allem der Text der Programmkommission zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, der einen neuen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor abseits der Ein-Euro-Jobs stark machen soll. Diese Strategie trifft auf innerparteilichen Widerstand: Demnach soll der „Sumpf aus dubiosen Beschäftigungsträgern“ ausgetrocknet und durch einen Ausbau öffentlicher Dienste ersetzt werden. ANDREAS GRÜNWALD/ MARCO CARINI

Sa + So, ab 10 Uhr, Berufsförderungswerk Farmsen, August-Krogmann-Str. 52. Infos: www.hier-ist-die-linke-hamburg.de