Große Sprünge mit leerem Beutel

Auch im vergangenen Jahr hat die öffentliche Hand wieder reichlich Geld verschleudert, hat der Bund der Steuerzahler dokumentiert. Ob Schlendrian, Bürokratismus oder Großmannssucht: Die eklatantesten Fälle aus dem Norden

Lübeck ist pleite. Kein Wunder, denkt sich, wer im neuen „Schwarzbuch“ des Bundes der Steuerzahler blättert. Gleich dreimal wird die Hansestadt dort der „öffentlichen Verschwendung“ geziehen – so häufig wie das Land Bremen. Glaubt man der Dokumentation, sind die Ursachen der Verschwendung vielfältig: Sie reichen vom Schlendrian über den Bürokratismus zur Großmannssucht.

Lübeck ist mit 500 Millionen verschuldet. Den Haushaltsentwurf für 2008 hat Innenminister Ralf Stegner (SPD) als nicht genehmigungsfähig zurückgewiesen. Trotzdem gibt die Stadt 5,4 Millionen Euro für eine 66 Meter lange „Flaniermeile“ an der Trave aus. Darin enthalten sind eine Brücke für 900.000 Euro, die das Rechnungsprüfungsamt für überflüssig hält, und ein Toilettenhäuschen für 270.000 Euro, bei dem die Nachbarn durchs Fenster schauen konnten.

Eine Klappbrücke zur Vervollständigung der Nordtangente über die Trave wurde 1,1 Millionen Euro teurer als geplant. Benutzt werden kann sie nicht, weil die Anschlussrampen nicht befahrbar sind. Nun nehme der Rat teure Notlösungen in Kauf, kritisiert nun der Steuerzahlerbund: Dazu gehöre die 850.000 Euro teure Sanierung einer Eisenbahnbrücke, deren Lebensdauer so um fünf Jahre verlängert werden könne.

Fast eine Million Euro kostet die Stadt der Fehler bei einem Ausschreibungsverfahren. Wegen eines laut Justiz offensichtlich verrutschten Kommas im Angebot hatte die Verwaltung einen Bieter ausgeschlossen. Die Stadt wurde zu Schadensersatz verurteilt.

In Bremen herrscht dem Bericht zufolge Großmannssucht. Die Gesundheit Nord gGmbH, zu der die Krankenhäuser Mitte, Ost, Nord und Links der Weser gehören, leistete sich eine 136.000 Euro teure Imagekampagne. Für jede Übernachtung im Gästehaus der Landesvertretung in Berlin musste der Steuerzahler mangels Auslastung gut 300 Euro drauflegen. Schleierhaft ist dem Bund der Steuerzahler, wie sich das verschuldete Bremerhaven ein neues repräsentatives Rathaus leisten kann. Die entsprechenden Visionen von Oberbürgermeister Jörg Schulz (SPD) seien „Känguru-Politik: große Sprünge mit leerem Beutel“.

Zum Schlendrian gehört ein Vier-Wochen-Seminar, das die Husumer Agentur für Arbeit in Auftrag gab. Es kostete gut 10.000 Euro – und hatte drei Teilnehmer. Eine Mindestzahl, „wie bei jedem Volkshochschulkurs üblich“, kritisiert der Steuerzahlerbund, sei „nicht vereinbart worden“. Und das schleswig-holsteinische Sozialministerium verschenkte 8,8 Millionen Euro, weil es die Verwendung von Fördergeldern wenn überhaupt nur schleppend überprüfte.

Verspekuliert haben sich Flensburg und Göttingen: Die beiden Städte versuchten ihre Zinslast durch Spekulationsgeschäfte zu drücken. Das ging schief und könnte Flensburg fast eine Million Euro kosten. Göttingen zahlte dafür sechs Millionen Euro. GERNOT KNÖDLER