Votum über Rettungsschirm bringt Regierung zu Fall

SLOWAKEI Ein Ja bei einer zweiten Abstimmung gilt als sicher. Neuwahlen sind wahrscheinlich

„Warum soll die Slowakei, neben Estland das ärmste Land der Eurozone, für Griechenland einstehen? Jedes Land soll für seine Schulden selbst einstehen“

SAS-CHEF RICHARD SULIK

PRAG taz | Der politische Orkan, der derzeit über Bratislava hinwegfegt, wird sich in Brüssel letztendlich nur als Sturm im Wasserglas manifestieren. Am Donnerstag stimmt das slowakische Parlament erneut über eine Erhöhung des EFSF ab. Das ist möglich, weil es sich um einen internationalen Vertrag handelt. Voraussichtlich wird die Mehrheit der Abgeordneten dafür stimmen.

Klar ist das „Ja“ der Slowakei eigentlich schon seit Wochen, allem Hin und Her zum Trotz. Die sozialdemokratische Opposition Smer und ihr Vorsitzender Robert Fico – ein politischer Schachspieler par excellence – haben ihre Zustimmung zur EFSF-Erhöhung vom Ende der derzeitigen Regierungskoalition um Ministerpräsidentin Iveta Radicova abhängig gemacht.

Das Ende kam am Dienstagabend. Denn Ministerpräsidentin Radicová hatte die EFSF-Abstimmung mit der Vertrauensfrage gekoppelt. Das Resultat war eindeutig: Von 124 Abgeordneten haben nur 55 dafür gestimmt. Neun waren dagegen, und 60 haben sich der Stimme erhalten. Unter ihnen auch die Abgeordneten der Regierungspartei Sloboda a Solidarita (Freiheit und Solidarität, SaS). Die Liberalen, um ihren Vorsitzenden Richard Sulik sind erklärte Gegner des Rettungsschirms. Die 1,8 Prozent, die die Slowakei im Falle einer EFSF-Erhöhung tragen müsste, machen rund 10 Prozent des slowakischen Bruttoinlandsprodukts aus.

Warum soll die Slowakei, neben Estland das ärmste Land der Eurozone, für Griechenland einstehen? Einem Land, in dem die Durchschnittsrente rund viermal so hoch ist, argumentierte Sulik. „Jedes Land soll für seine Schulden selbst einstehen“, so Sulik. Nutzen wird der Widerstand der SaS am wenigsten ihr selbst. Ihre Umfragewerte sind schon seit Längerem im Keller. Daher ist es fraglich, ob sie ihre 22 Parlamentssitze bei Neuwahlen verteidigen kann. Aus der Koalition hat sie sich am Dienstagabend jedenfalls verabschiedet.

Iveta Radicova, deren emotionaler Last-Minute-Appell an die SaS, sich doch an der Abstimmung zu beteiligen, von Sulik ignoriert wurde, rief diesen auf, „sich wie ein Mann zu verhalten“ und vom Posten des Parlamentspräsidenten zurückzutreten.

Das scheint nur eine Frage der Zeit. Neuwahlen, wie sie von Oppositionsführer Robert Fico gefordert werden, sind wahrscheinlich. „Dadurch, dass es die Ministerpräsidentin und ihre Koalition nicht geschafft haben, die EFSF-Erhöhung durchzusetzen, haben sie uns eine internationale Blamage beschert,“ erklärte Fico.

Seitdem das Ende der Regierung definitiv ist, gibt sich Fico untypisch milde. Er habe kalte Füße bekommen, spekulieren Kenner der slowakischen Politszene. Der Populist scheint Angst vor der eigenen Courage bekommen zu haben. Sollte er nach Neuwahlen oder einer Regierungsumbildung – eine große Koalition oder eine Minderheitsregierung mit Ficos stiller Unterstützung sind ebenfalls im Gespräch – einen Regierungsauftrag erhalten, läge der schwarze Peter unpopulärer Entscheidungen in seiner Hand. Die Wirtschaftskrise wird auch vor der Slowakei, die in den letzten Jahren auch dank ihrer Mitgliedschaft in der Eurozone zu einem mitteleuropäischen Wirtschaftswunderland geworden ist, nicht haltmachen.