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: Wo ist Berry?

JÜRGEN ROTH kämpft am letzten Raucherspieltag als einer der fünf Roten in Frankfurt am Main gegen die Konferenz bei seinem Lieblingswirt

Nachdem ich als halbstaatlich bestallter Stoiber-Observateur noch mal zwei komplette Ministerpräsidentenfinalreden und das CSU-schmelzdebile Dauergelärme in Erinnerung an den Granatengauner F. J. Strauß vor dem TV-Apparat durchgehalten hatte, hatte ich mich, zumal in Anbetracht des vorerst letzten humanistischen Raucherspieltags im Raum Hessen, in meine Eintracht-Stammkneipe Kyklamino in Frankfurt-Südwest verfügt.

Mein rumänischer Lieblingswirt Apollo saß am Tresen. Die Eintracht spielte erst am Sonntag, deshalb war die Bude leer. Wie von Hemingway beschrieben, glitzerte der Tresen traulich unbenutzt im zäglichen Spätsommerlicht. Endlich könnte ich, dachte ich, mal richtig die Bayern gucken. Aber mein bulgarischer Lieblingswirt schaltete die Konferenz ein. Aus Protest schickte ich meinen mazedonischen Lieblingswirt in die Küche, auf dass er weiße Bohnen mit saurer Gurke und Knoblauch zubereite.

Wo bleibt Berry? dachte ich dann, denn wir hatten uns zum finalen Fußballrauchen verabredet. Aus dem Fernseher tröpfelte der Satz: „Grad aus dem Bier gerutscht ist der Unparteiische.“ Ein Freud’scher Verlauscher? „Bier“ statt „Bild“? Weil gerade eine sauerländische Sauerbiermarke beworben worden war? Und Hermann, der vollendete Gentleman, wo war Hermann, mein Bayern-Verbündeter? Horst, der Film- und Frauensachverständige, traf ein. „Drei Flaschen Prosecco gestern“, sagte er und bestellte einen Eimer Cola. Ich bestellte ein Weizen. Horst sagte: „Apollo, es ist Winter geworden.“ Ich bestellte noch ein Weizen, und Horst schaltete auf Leverkusen gegen Bayern um. „Mir tun alle Knochen weh. Das ist der Herbst“, sagte Horst.

Sportskamerad Peter Burri aus Rottweil hatte mich brieflich gefragt, ob es überhaupt schwarze Fußballtrainer gebe. Ich wusste keinen. „Tigana“, sagte Horst.

Marcel Reif für die Rente, dieser Topesel und Bayernbasher: „Defensive gehört zum Fußball.“ Wir sahen die feurigsten fünfzehn Minuten der Saison. Zum Glück schritt doch noch Hermann durch die Tür und begrüßte die zwei Unbekannten, die sich kurz zuvor hereingeschlichen hatten, per Handschlag. Nun waren alle fünf in Frankfurt lebenden FCB-Fans versammelt. „Wo bleibt Berry?“, fragte mich Alex, der Erz-Eintrachtler, der jetzt mit Zigarette in der Hand auftauchte. „Wer will Konferenz sehen?“ brummte mein isländischer Lieblingswirt Apollo in die ruhende Runde. „Ich bin Demokrat. Ich bitte um Handzeichen.“ Das ist ja schlimmer als auf dem CSU-Parteitag, dachte ich und sagte: „Ich bin Kommunist. Ich will die Roten sehen.“ Dann zündete ich mir eine an. JÜRGEN ROTH