Schulden bis zum Hals, aber eine super Stimmung in Athen

GRIECHENLAND In Athen hält die Begeisterung über den Sieg des Linken Alexis Tsipras an. Der gewaltige Schuldenberg wird dadurch aber nicht von allein kleiner

ATHEN taz | „Der Weg ist endlich offen“, freut sich Jannis, ein 45-jähriger Taxifahrer und Syriza-Wähler. Er meint das auch wörtlich: Nur wenige Stunden nach dem Regierungswechsel verschwinden alle Straßensperren an der altehrwürdigen Herodes-Atticus-Straße, die ihn immer wieder zu langen Umwegen gezwungen hatten. Streng bewacht und für Fahrzeuge oft gesperrt war das sündhaft teure Viertel am Präsidentenpalast, in dem die Politikerdynastien und der Geldadel Athens traditionell zu Hause sind. „Jedes Mal, wenn ich vom Flughafen hierherkam, musste ich das ganze Viertel umfahren, damit ein Fahrgast mit seinem schweren Koffer in der Nähe seiner Wohnung aussteigt“, erinnert sich Jannis.

Verschwunden sind auch alle Absperrungen vor dem Parlament, die nach Ausbruch der Schuldenkrise errichtet wurden, als Demonstranten das Gebäude der Volksvertretung einkesselten, um gegen die Sparpolitik zu protestieren. Das Polizeiaufgebot in den Straßen Athens hat der neue Innenminister zurückgefahren. Volksnähe demonstriert Ministerpräsident Alexis Tsipras auch dadurch, dass Dienstlimousinen der Vorgängerregierung unter den Hammer kommen und ab sofort alle Minister angeblich mit dem eigenen Auto zur Arbeit fahren. Diese Einstellung wird belohnt: Nach einer am Sonntag in der Linkszeitung I Avgi veröffentlichten Umfrage zeigen sich 60 Prozent der Griechen mittlerweile „zufrieden“ mit dem Wahlergebnis und dem Linksruck vom vorvergangenen Sonntag.

Sehr viel schwieriger dürfte es sein, die EU-Partner von einer Neuverhandlung über die Kreditverträge zu überzeugen. Nachdem Finanzminister Janis Varoufakis am Freitag den Bruch mit der Troika der Sparkontrolleure verkündete, bemühte sich Regierungschef Tsipras um Deeskalation: Griechenland werde seine Schulden bei der Europäischen Zentralbank (EZB) und beim Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückzahlen, versicherte er. Mit den EU-Partnern wolle man eine für alle Seiten vorteilhafte Einigung anstreben. Einen „Bruch vor dem Kompromiss“ prognostiziert die Wochenzeitung To Vima, die aber auch einen „Krieg gegen Merkel und das konservative Europa“ vermutet.

Sollte es so weit kommen, brauchte die Athener Regierung auf EU-Ebene Fürsprecher und Allianzen, die derzeit nicht erkennbar sind. Vermutet werden sie vor allem in Frankreich, Italien und vielleicht auch in Spanien, falls dort das linke Bündnis Podemos die Parlamentswahl im Herbst gewinnt. Kürzlich erklärte Finanzminister Varoufakis, nach dem Regierungswechsel brauche Griechenland „zwei ruhige Wochen“, um eine neue Politik, auch gegenüber den Kreditgebern, einzuläuten. Eine Woche ist nun schon vorbei – und war alles andere als ruhig. Die zweite Woche will Varoufakis intensiv nutzen: Wichtige Termine in Rom, Paris und London stehen auf dem Programm. Auch Ministerpräsident Tsipras besucht Frankreich, Italien und die EU-Kommission in Brüssel.

Die Zeit drängt, da Griechenland bis Ende März Anleihen in Höhe von über 4 Milliarden Euro auszahlen müsste. Woher das Geld kommen soll, ist nicht klar, zumal laut griechischen Presseberichten die Finanzverwaltung über einen Rückgang der Steuereinnahmen im letzten Quartal 2014 klagt. Außerdem haben führende Syriza-Politiker erklärt, einige kostspielige Wahlversprechen sofort umsetzen zu wollen. Dazu gehört etwa die Wiederaufnahme von mehr als 3.500 Menschen in den öffentlichen Dienst. JANNIS PAPADIMITRIOU