„Ölpreis drosselt die Nachfrage noch nicht“

Bis zu 84 Dollar kostet derzeit ein Fass Rohöl – Verbraucher scheinen damit kein Problem zu haben: Sie fahren trotzdem Auto. Und auch Volkswirtschaften, allen voran China und die USA, investieren weiter, sagt Experte Ehsan ul-Haq

Ehsan ul-Haq ist Chefanalyst beim internationalen Energie-Berater PVM Oil Associates in Wien.

taz: Herr ul-Haq, der Ölpreis ist auf einen neuen Rekordstand gestiegen. Geht das Erdöl zur Neige?

Ehsan ul-Haq: Ich glaube, wir haben genug Öl. „Peak Oil“-Experten sagten, dass die Produktionsspitze bald erreicht sein wird – revidierten ihre Angaben jedoch immer wieder. Sie haben aber die Welt wachgerüttelt: Öl ist eine knappe Ressource. Der derzeit hohe Ölpreis hat mehrere Gründe – zum Teil ist er auf Spekulation zurückzuführen.

Analysten rechneten für das Frühjahr damit, dass Spekulanten in großem Stil ihre Fonds verkaufen würden und der Preis dann auf 40 Dollar sinkt.

Tatsächlich haben Hedgefonds im Juni mehrere Milliarden Dollar zurückgenommen, die sie in Öl angelegt hatten. Da könnte noch mehr zurückgenommen werden, und dann sinkt der Preis.

Um wie viel?

Ein Barrel, als ein Fass zu 159 Liter, könnte dann 10 bis 20 Dollar weniger kosten.

Der Preis ist nun doch aber gestiegen.

Durch die Leitzinssenkung in den USA ist nun auch wieder mehr Geld da, um zu spekulieren. Der Ölpreis hängt aber auch stark vom Wetter ab: In den USA sind die Heizöllagerbestände im Gegensatz zu Europa niedrig. Und auch was sich geopolitisch tut, zum Beispiel im Iran, kann man nicht voraussagen.

Wie stark spüren die Verbraucher die Börsenpreise?

In Europa merken die Konsumenten das wegen des Euro-Dollar-Kurses nicht so stark. Der Dieselpreis ist in Rotterdam aber auf den höchsten Stand in der Geschichte geklettert. Richtig zu spüren bekommen die Preise Autofahrer in den USA. Aber am meisten trifft es die Entwicklungsländer. Indien und China investieren trotzdem weiter und verbrauchen immer mehr Öl.

Auch wenn Öl eine knappe Ressource ist – gespart wird deshalb nicht. Auch wenn der Preis zulegt, steigen Autofahrer nicht aufs Fahrrad um. Wird sich das nun ändern?

„Öl bleibt teuer“, hieß es vor fünf Jahren: Damals kostete ein Fass (159 Liter) 30 US-Dollar. Dabei blieb es nicht. Kriege, Krisen, Hurrikane, Spekulanten und die Nachfrage aus Asien und den USA trieben den Preis – mit Unterbrechungen – weiter: 83,84 Dollar kostete in den vergangenen Tagen zeitweise ein Fass der US-Sorte WTI, auch die Preise für Opec-Öl und die Nordseesorte Brent stiegen an den Börsen. Gehandelt wird Erdöl unter anderem in New York (Nymex) und in London (IPE).

Die Preise haben bis jetzt auf die Nachfrage keinen Einfluss gezeigt – weder für Unternehmen noch für Endkunden. Vor allem die Nachfrage nach Treibstoff ist starr: Man fährt trotzdem Auto. In den USA gibt es zudem kaum Alternativen und keine Treibstoffsteuern. Beim Heizen denken Verbraucher bei uns nun schon an Alternativen.

Aber der globale Ölhunger bleibt hoch?

Wir gehen davon aus, dass der tägliche Verbrauch 2007 um 1,32 Millionen Fass auf 86,97 Millionen steigen wird. Für 2008 prognostizieren wir 87,83 Millionen. In Asien und den USA wächst die Nachfrage stark weiter.

INTERVIEW: CHRISTINE ZEINER