„Ihr habt ein richtig großes Problem“

EXISTENZ Der Ökonom Jeremy Rifkin erklärt, wie man die Welt retten kann: mit einer dritten industriellen Revolution

■ Die Person: Soziologe, Ökonom, Publizist sowie Gründer und Vorsitzender der Foundation on Economic Trends (FOET) mit Sitz in Washington D. C., USA.

■ Das Buch: „Die dritte industrielle Revolution. Die Zukunft der Wirtschaft nach dem Atomzeitalter“. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2011, 304 Seiten, 24,99 Euro.

INTERVIEW INGO ARZT
UND MARTIN REICHERT

Jeremy Rifkin ist das grüne Gewissen des Planeten. Als eine Art ökologischer Prediger und Vordenker reist der 66-Jährige US-Amerikaner um die Welt und versucht die Eliten aus Wirtschaft, Politik und Öffentlichkeit von seiner Vision einer dritten industriellen Revolution zu überzeugen – die EU und die Bundesregierung sind ihm schon gefolgt, sagt er. Die heutige Predigt richtet sich an zwei taz-Journalisten und findet in einer vornehmen Suite des Berliner Ritz Carlton statt.

sonntaz: Die meisten Menschen versuchen, sich selbst zu retten. Die Partnerschaft, das Konto, die Familie. Sie aber denken unentwegt darüber nach, die Welt zu retten. Sind Sie also ein glücklicher Mensch?

Glücklich? Das weiß ich nicht. Aber ich weiß, dass die Menschheit in einer tiefen Krise steckt! Das klingt jetzt melodramatisch. Ich bin mir bewusst, dass es eine Menge apokalyptischer Visionen in der Geschichte gab – und Gott sei Dank waren sie alle falsch. Aber eure Generation, ihr habt ein richtig großes Problem.

Wir hatten gehofft, Sie würden uns etwas Hoffnung machen.

Als im Juli 2007 der Ölpreis bei 147 Dollar pro Barrel stand, brach die Wirtschaft zusammen. Das war das eigentliche Erdbeben, nicht der Zusammenbruch der Finanzmärkte 60 Tage später, das war nur das Nachbeben. Ich glaube, wir haben das erreicht, was ich „Peak Globalization“ nenne. Wir kennen jetzt die maximalen Grenzen der Globalisierung. Bei 147 Dollar pro Barrel Öl kommt der Kollaps. Die ganze Welt ist auf fossilen Brennstoffen aufgebaut: Düngemittel, Zement, Kunststoffe, unsere Medikamente, die Kleidung, das Transportsystem, die Energieversorgung, Wärme, Licht. Und jedes Mal, wenn wir die Wirtschaft wieder aufbauen, steigt der Ölpreis erneut, bis er die gleiche Schwelle erreicht. Dann bricht die Wirtschaft wieder zusammen. In drei bis vier Jahren werden wir an diesem Punkt sein, und dass ist dann das Endspiel.

Und dann auch noch der Klimawandel.

Wenn die Wissenschaftler recht haben, dann werden wir – also Ihr und Eure Kinder – in diesem Jahrhundert mindestens drei Grad Erderwärmung erleben. Ein Massensterben von Tierarten. Fluten, Stürme, Trockenheiten. Genau das passiert momentan bereits. Von Texas bis Frankreich. Überall.

Hilfe! Herr Rifkin, muss das denn wirklich sein? Muss man den Menschen eine Todesangst einjagen, damit sie tun, was man sagt?

Nein, ich glaube, es gibt einen positiven Weg. Die Kinder lernen das bereits. Lassen Sie mich ausholen …

Das tut er dann auch. Nach Zwischenfragen referiert er meist unbeeindruckt weiter – seine weißen Karteikarten fest in den Händen. Er spannt den ganz großen Bogen: Jäger und Sammler, Dampfmaschinenzeitalter. Große Veränderungen der Menschheit seien stets durch neue Energiesysteme entstanden, die nur durch neue Formen der Kommunikation zu managen seien. All dies verändere dann nicht nur die Wirtschaft, sondern auch das menschliche Verhältnis zu Raum und Zeit: das Bewusstsein. Keine Theologie ohne Schrift und Ackerbau, sagt er. Und heute seien es regenerative Energien und das Internet, die eine Revolution auslösen würden. Das Ende des Rifkin’schen Bogens ist bei Grundschülern in Berlin erreicht, die mit Kids in Tokio skypen und dadurch ein neues Bewusstsein entwickeln. Rifkin nennt es, latent esoterisch, Biosphärenbewusstsein. Nunmehr würde sich die Menschheit in Einheit mit der Natur als Großfamilie begreifen.

… gehen Sie in eine beliebige Schule hier in Berlin oder sonstwo auf der Welt. Die Kinder, acht, neun Jahre alt, kommen heim und haben ein Biosphärenbewusstsein. Die fragen ihren Vater: Warum verbrauchst du so viel Energie? Warum so viel Gas? Woher kommen deine synthetischen Kleider?

„Deine Mudder“ würde ihnen manches Berliner Schulkind entgegnen. Sie haben eine sehr hohe Meinung von unserem Bildungssystem.

Es fängt immer mit einer kleinen Gruppe an. Aber Kinder bekommen ein Bewusstsein für ihren ökologischen Fußabdruck. Vor zehn Jahren kannten sie den Begriff noch nicht. Es gibt nun eine Technik, die uns erlaubt, von einer Welt zu sprechen. Es passt alles zusammen. Schauen Sie sich Google Maps an. Als ich 16 Jahre alt war, hat sich jedes Kid die Bilder der Apollo-Mission an die Wand gehängt: die Erde vom Mond aus gesehen. Heute skypen Berliner Kinder mit Kindern in Tokio und schauen sich über Street View deren Nachbarschaft an. Die sind weltweit verbunden.

Facebook soll die Welt retten?

Allein genommen sicher nicht.

Im Netz bilden Gruppen jeweils eigene , isolierte Realitäten aus. Das Netz, am Ende ist es nur ein Werkzeug.

Das ist richtig, die Frage ist, wie wir es benutzen. Mein Buch „Die Empathische Zivilisation“ stellt diese Fragen. Verdummen wir oder verbessern wir uns mit diesem zentralen Nervensystem?

Neunzig Prozent des Netzes besteht aus Pornografie.

Das ist ein echtes Problem. Wir müssen uns die Frage stellen: Warum vernetzen wir eigentlich die gesamte Menschheit?

Für Lady Gaga?

Für Trivialitäten oder für ein neues Bewusstsein? Das liegt an uns. Aber die Möglichkeiten sind sehr interessant. Weil die Menschheit sich in einer tiefen Krise befindet. Schauen Sie zum Fenster raus: Jedes Mal, wenn wir diese Infrastruktur aufrecht erhalten wollen, wird sie wieder in eine Krise rutschen. Wir können nicht mehr wachsen. Das ist vorbei.

Was sagt denn Frau Merkel dazu?

Ich werde sie morgen Abend fragen.

Hat er dann auch. Im Konrad-Adenauer-Haus, geladen zum „Berliner Dialog“. Die Wirtschaftsweise Beatrice Weder di Mauro und Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) diskutieren über nachhaltiges Wachstum, Renten und Finanzkrise. Merkel hatte zuvor einen Vortrag gehalten. Ein Kuschelabend mit vielen grünen Floskeln. Die Moderatorin merkte süffisant an, man habe Rifkin eingeladen, weil er Deutschland und die EU immer so loben würde. Rifkin ist Teil der Runde, referiert aber vor allem seine Thesen, wenn er zu Wort kommt, wie im Interview geübt. Karteikarten. „Germany will lead this!“, sagt er beide Male, Deutschland werde die ökologische Revolution anführen. Sein Appell: Es brauche Politiker, die es wagen, eine Vision, ein Narrativ für die Zukunft zu formulieren. Später steht er mit Merkel zusammen. Rifkin rühmt sich gern damit, diverse europäische Regierungen zu beraten. Man könnte auch sagen: Er hält Vorträge vor wichtigen Menschen und isst danach Häppchen mit ihnen.

Dieses Narrativ, von dem Sie sprechen, es basiert auf Angst, auf der Androhung einer Apokalypse.

Dieses Narrativ ist ein ökonomisches Modell, dass den Klimawandel mitdenkt. Und es ist ein ökonomisches Modell, das Jobs bringt, die Wirtschaft voranbringt und den Planeten verändert. Das ist nicht theoretisch. Die EU hat sich exakt dem Modell verschrieben, dass ich in diesem Buch ausgearbeitet habe.

Ein grünes Heilsversprechen. Sie kündigen sogar das Ende der Geschichte an. Kleiner haben Sie es nicht?

Das hab ich nie behauptet, es ist nur das nächste Zeitalter.

Sie sagen: Es sei die letzte industrielle Revolution der Geschichte.

Richtig, die letzte, die auf massenhafter Erwerbsarbeit basiert. Wir bewegen uns wirklich weg davon, weil Technik die klassische Produktionsarbeit verdrängt. Wenn die dritte industrielle Revolution gelingt, kommt die Arbeit aus dem zivilen Sektor. Aber zählen wir zusammen: Wir müssen weg von fossilen Energieträgern. Was bleibt, sind die Regenerativen. Zweitens, wie sammeln wir sie ein? Auf der ganzen Welt. Drittens müssen wir sie speichern. Viertens, wir müssen sie teilen. Isoliert funktioniert es nicht. Fünftens, wir müssen unser Transportsystem damit antreiben. Wenn jemand sagt: Das geht nicht, dann bitte schön, haben Sie eine bessere Idee?

Nein, das nicht. Aber wir glauben nicht wie Sie an den empathischen Menschen, sondern kennen auch solche, die vor allem Geschäfte machen wollen.

Sie sind eben Materialisten. Ich hatte eben einen Journalisten hier, der macht die Sache selbst. Er baut Solarzellen auf Schuldächer. Was ich Ihnen sage: Nein, es gibt eine Machtverschiebung hin zu lateralen Strukturen. Sie haben zwei Milliarden Menschen, die jünger als 15 sind und wissen, wie man seinen eigenen Podcast macht. Gibt es große Player wie Google? Ja. Es gibt aber genauso viele Möglichkeiten für Menschen, sich völlig neu zu organisieren. Wir haben eine Koalition in Europa geschmiedet, mit allen kleineren und mittleren Unternehmen. Wir versuchen, die Energie von unten zu kontrollieren. Das kann zentralisiert sein, es kann aber auch dezentral werden. Sie müssen nur die einzelnen Teile zusammensetzen. Es geht hier nicht um eine theoretische Diskussion. Wir sind dabei, die Sache umzusetzen. Es ist ein Kampf.

Wer gegen wen?

Das kann man nicht in Schwarz und Weiß aufteilen. Manche großen Konzerne werden zu leiden haben, andere werden sich umstellen. Es wird völlig neue Firmen geben. Momentan stehen in Europa die Bauindustrie und die IT Industrie hinter dem Plan, ebenso wie Stadtwerke, Handwerksverbände und Gewerkschaften. Eigentlich alle Autobauer arbeiten an Wasserstoff- oder Elektroautos. Viele große Energieversorger sträuben sich noch.

Ist es tatsächlich möglich, die Gesellschaft und die Industrie in einer solchen Krisensituation umzubauen?

Ich berate einen Haufen Regierungen in der Frage, etwa den griechischen Ministerpräsidenten Giorgos Papandreou – auch wenn wir ein gutes Jahr keinen Kontakt mehr hatten. Jedes Land steht vor dem Ende eines Energiezeitalters. Alle streichen ihre Budgets zusammen, es gibt aber keinen Plan für Wachstum. Der einzige Weg, wie wir die globale Wirtschaft wieder aufbauen können, ist eine dritte industrielle Revolution, sie wird Millionen Jobs über Nacht schaffen! Wir müssen die Infrastruktur der gesamten Welt umbauen. Das schafft Millionen von Jobs, tausende von Firmen, das gesamte Energieversorgungssystem ändert sich, die Gebäude ändern sich, und so weiter.

Sie glauben an Europa, aber glaubt Europa auch an sich selbst?

Europa und Deutschland sehen das Glas immer halb leer, in Amerika läuft es über, wenn es halb voll ist. In Europa gibt es den Hang, sich zu unterschätzen, Dinge laufen schlecht. Man bleibt ruhig und unaufgeregt, glaubt aber nicht an die eigenen Stärken. Als Amerikaner, der viel Zeit in Europa verbringt, sage ich: Viele meiner Kollegen haben Amerika aufgegeben.

Sie auch?

Ich drücke es so aus: Amerika ist kein Vorbild mehr. Der Ort, an dem neue Ideen für die Zukunft der Menschheit entstehen, das ist Europa. Es ist nicht China, sind nicht die USA.

Sie sagen: Der deutsche Weg soll der Welt als Beispiel dienen. Aus historischen Gründen haben wir ein echtes Problem damit.

Das könnte richtig sein. Ihr wisst nicht, wie ihr eure Erfolgsgeschichte richtig erzählt. Das ist es, was euch fehlt. Aber Amerika hat diese Geschichte der Zukunft überhaupt nicht. Silicon Valley nicht, und Obama hat auch versagt. Er wollte die grüne Wirtschaft. Aber er konnte den Leuten nicht vermitteln, was er damit meint. Er hatte keine Erzählung. Also hat er im Stillen diese ganzen Projekte angeschoben: Geld in die Batterieforschung stecken, Geld in elektrische Autos stecken, Geld in Solarfabriken stecken. Er hat sie aber nicht zu einem Paradigmenwechsel verbunden. Wir stecken Milliarden in isolierte, stille Pilotprojekte. Fragen Sie mal im Land umher: Was ist die neue grüne Wirtschaft? Keiner hat Ahnung.

In Deutschland setzt sich sogar die konservative Partei dafür ein, die Umwelt zu retten.

Die Christdemokraten und die Sozialdemokraten sind auf einer Seite. Steinmeier und Gabriel sind für die dritte industrielle Revolution. Sagen Sie denen einen Gruß von mir und fragen Sie sie mal: Sigmar, Frank, seid ihr für die fünf Säulen? Daniel Cohn-Bendit, ein alter Freund von mir, und die Grünen sind sowieso dafür.

Haben Sie mal mit Rainer Brüderle darüber gesprochen?

Nein.

■ Die Lage: Die Welt steht am Abgrund, weil die Menschheit ungebremst Treibhausgase emittiert. Eine globale Erwärmung von zwei Grad gilt als beherrschbar, ist aber derzeit nicht zu erreichen. Ende November wird über die Nachfolge des 2012 auslaufenden Kioto-Protokolls zur Reduzierung von Klimagasen verhandelt, eine Einigung ist unwahrscheinlich.

■ Das Gegenkonzept: Jeremy Rifkin pfeift auf die globale Politik: In der dritten industriellen Revolution bauen BürgerInnen und UnternehmerInnen die Industriegesellschaft um. Regenerative Energien wie Sonne und Wind werden überall geerntet und in einem Energie-Internet geteilt. Die Wirtschaft wird sich deshalb kollaborativ und dezentral organisieren.

■ Die Fünf Säulen: Um die Welt zu retten, muss die Politik nach Ansicht Rifkins fünf Punkte gleichzeitig fördern: Den Umstieg auf regenerative Energien, den Umbau aller Gebäude zu dezentralen Minikraftwerken, den Ausbau von Energiespeichern, den Umstieg auf Elektrofahrzeuge und – das ist der zentrale Punkt – die Verbindung von Internet und Energienetz, um Energie zu managen und wie Informationen zu teilen.

■ Die Umsetzung: Der gut vernetzte Ökonom Rifkin setzt sich in der EU seit Jahren für das Konzept einer „dritten industriellen Revolution“ ein. Im Mai 2007 hat sich das EU-Parlament in einer Erklärung für Rifkins Idee ausgesprochen, die EU-Kommission will Europa bis 2050 ökologisch umbauen.

Sollten Sie mal probieren

In welcher Partei ist der?

FDP, die Freie Demokratische Partei. Liberale.

Die Liberalen, ach so. Ich rede über die drei anderen Parteien. Wir haben festgestellt, dass es eine seltsame, neue Art von Politik gibt. Als wir unsere Nachhaltigkeitsstrategie in verschiedenen Städten wie Rom, San Antonio, Monaco oder Utrecht vorgestellt haben, haben wir uns gefragt, warum mögen manche Politiker das und manche nicht.

Und?

Wir haben festgestellt, es geht nicht um rechts oder links. Es sind nicht die alten Ideologien, nicht konservativ oder liberal. Nicht Sozialismus oder Kapitalismus. David Miliband, damals britischer Umweltminister unter Tony Blair, mochte die Idee der dritten industriellen Revolution nicht. Der jetzige konservative Premier David Cameron war von der Idee angetan und hat sie in sein Programm aufgenommen. Der spanische Premier, der Sozialist José Zapatero, ist dafür. Für Roms Bürgermeister Gianni Alemanno haben wir von der Foundation on Economic Trends einen Plan erarbeitet, wie sich die ganze Region ökonomisch, sozial und politisch in ihre Biosphäre einbetten lässt.

Alemanno, der Neofaschist? Mein Gott, werden die jetzt auch grün?

Alemanno hat sich geändert. Ob man den grünen Wandel mag oder nicht, bemisst sich jedenfalls nicht am alten politischen Spektrum. Es geht um die Frage, ob man hierarchisch und zentralistisch denkt oder dezentral und lateral. In meinem Land gibt es so viel Polarisation zwischen den Parteien, da bewegt sich nichts.

Denken Sie also, Angela Merkel ist postkonservativ?

Schwer zu sagen. Sie versteht die Sache technologisch auf jeden Fall komplett, schließlich ist sie Physikerin. Als ich sie das letzte Mal bei einem Dinner mit Wirtschaftsführern gesprochen habe, sagte sie: Jeremy, ich bin für die Fünf-Säulen-Infrastruktur.

Und Sie? Ihre Frau sagte mal, Sie seien voller „jüdischer Selbstzweifel“.

Sie sagt immer, dass ich sie verrückt mache. Weil ich immer so abwäge. In der jüdischen Tradition, im Talmud, muss man immer fähig sein, auf beiden Seiten zu argumentieren. Meine Frau dagegen ist deutsch, katholisch. Ich zweifle das alles tatsächlich ständig an. Aber ich habe auch verstanden: Im Leben muss man Entscheidungen treffen.

Ganz ehrlich: Die globale Familie, von der Sie träumen: Könnte das nicht auch eine Hölle sein? Wenn Sie so alt werden wie ich und auf das Leben zurückschauen, dann werden Sie denken: Warum streiten wir uns um so lächerliche Sachen? Wenn Sie morgen aufwachen und alles Leben auf diesem Planeten ist verschwunden – und Sie dann einen kleinen Wurm aus einem Loch kriechen sehen, vermutlich würden Sie vor Freude anfangen zu weinen. Weil Sie etwas Lebendiges gefunden haben. Wir sitzen hier auf diese Erde und begreifen nicht, was wir an ihr haben. Da draußen jedenfalls gibt es nichts. Seit Jahrzehnten hören wir das Universum ab. Es ist niemand da. Wir suchen nach Leben im Universum, in der Zwischenzeit bringen wir uns gegenseitig und unsere Mitgeschöpfe um. Wir zerstören dieses wunderbare Experiment des Universums. Das ist verrückt. Dabei sind Menschen soziale Kreaturen.

Die Welt ist voller Egoisten und religiöser Eiferer.

Nein, es sind wenige. Verstehen Sie, es gibt Momente in der Geschichte, da implodiert alles. Es gibt keine lineare Entwicklung. Manchmal bricht in der Geschichte für Jahrhunderte alles zusammen. Irgendein verrückter Führer könnte morgen eine Atombombe werfen. Alles kann passieren. Aber es gibt Hoffnung: Unser Bewusstsein ändert sich hin zu einer globalen Familie. Die nächsten fünfzig Jahre werden entscheidend sein. Das Ende der Ölära. Schaffen wir den Übergang? Ich hab keine Ahnung. Wenn Sie es wissen, schicken Sie mir eine Postkarte. Sie leben in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts ja noch.

Vielleicht leben Sie ja auch noch – zumindest auf Facebook.

Was ich euch als Journalisten rate: Seid skeptisch. Aber versuchen Sie auch, die Diskussion nach vorn zu treiben. Damit die junge Generation sieht: Es gibt tatsächlich Hoffnung. Es wird weiterhin schön sein für Menschen, auf diesem Planeten namens Erde zu leben.

Ingo Arzt, 33, taz-Wirtschaftsredakteur, will die Energiekrise mit großen Solarhüten lösen

Martin Reichert, 38, sonntaz-Redakteur, lässt die Hoffnung trotz allem nicht fahren