Kraft Foods soll draußen bleiben

Niedersachsens Lehrer weigern sich, eine Broschüre des US-Lebensmittelkonzerns im Unterricht zu verteilen. SPD kritisiert, Kultusminister lasse sich vor den Karren von PR-Strategen spannen, der findet die Aktion unbedenklich

Viele Kinder dürften Milka, Daim, Kaba, Miracoli, Ketchup oder Toblerone lecker finden. Dafür stehen die Fertigprodukte des US-Nahrungsmittel-Multis nicht gerade im Ruf, förderlich für die Gesundheit der Kleinen zu sein. Umso mehr stößt derzeit Lehrern in Niedersachsen eine Broschüre mit Lernmaterialien für Schulen und Kitas aus dem Hause Kraft Foods auf, die sie laut einem Erlass des Kultusministeriums verteilen sollen.

Das Haus von Minister Bernd Busemann (CDU) bittet die Pädagogen an allen 1.800 Grundschulen nachdrücklich um Beachtung des 28-seitigen Heftchens mit dem Titel „Schritt für Schritt mach ich mich fit“. Darin zu lesen sind Ernährungstipps für Kinder. Und ein Vorwort des Deutschland-Chefs von Kraft-Foods. Mit einem Jahresumsatz von gut 34 Milliarden Dollar gehört der Multi zu den größten Lebensmittelkonzernen der Welt, in 155 Ländern bietet er alles von Jacobs Kaffee bis Philadelphia Frischkäse an. Sitz der Deutschland-Zentrale ist Bremen. Hier hatte Kraft vor Jahren Halloween-Pakete mit Schokolade an den Schulen verteilt.

Er habe „Wichtigeres zu tun, als einem Konzern zuzuarbeiten“, formulierte ein Schulleiter aus dem Landkreis Harburg seine Weigerung, das Kraft-Broschürchen an seine Kinder auszuhändigen. Er will dem Ruf aus Hannover keinesfalls folgen. Das Heft gehöre in den Müll, weil es nichts mit der Schule zu tun hat, sagte er zu den Harburger Anzeigen und Nachrichten. Er ist nicht allein: 40 der rund 50 Grundschulen allein im Landkreis Harburg haben es ihm offenbar gleich getan. „Da es jetzt in Niedersachsen die Eigenverantwortliche Schule gibt, können wir auch eigenverantwortlich entscheiden, ob wir uns für so etwas hergeben wollen“, wird eine Lehrerin zitiert. Auch der Wunsch des Ministeriums und der Landesschulbehörde, einen Fragebogen des Konzerns zu beantworten, wird von vielen Pädagogen offenbar abgelehnt. Dabei wurden die Materialien in Kooperation mit der Universität Dortmund erstellt.

Die renitenten Lehrer wollten sich öffentlich in der Zeitung nicht mit Namen zitieren lassen. Grund: Furcht vor Repressalien aus dem Busemann-Haus. Sich Erlassen des Ministeriums zu verweigern käme nicht gut an. „Bei der nächstbesten Gelegenheit wird man abgewatscht“, empört sich ein Lehrer.

„Es sei ein ungeheuerlicher Vorgang, dass sich das Kultusministerium derart vor den Karren von PR-Strategen spannen lässt“, sagt SPD-Fraktionschef Wolfgang Jüttner zur taz. Er habe nichts gegen Unternehmensspenden an Schulen, „aber hier will ein Unternehmen mit tatkräftiger Unterstützung des Ministeriums im Rahmen des Schulunterrichtes die Käuferschichten von morgen erschließen“.

Das Kultusministerium findet die Broschüre des Lebensmittelkonzerns unbedenklich: Sie sei im Ministerium als geeignet eingestuft worden und „enthält keine Reklame für Kraft-Produkte“, sagt Busemanns Sprecher Georg Weßling. „Der pädagogische Nutzen ist größer als der Werbeeffekt.“ Wichtig sei doch, die Gesundheit der Kleinsten zu fördern. Außerdem sei die Teilnahme freiwillig. „Ich kann nicht ganz nachvollziehen, welche Bedenken die Leute haben“, sagt Weßling. KAI SCHÖNEBERG