Weit hinter den eigenen Ansprüchen

BUNDESLIGA Beim Wolfsburger Sieg gegen Nürnberg zeigt nur Torschütze Mandzukic internationale Klasse

Die erste Hälfte nennt Trainer Felix Magath „offensiv das Beste“, das man bislang hinbekommen habe

Ist der VfL Wolfsburg eine mittelmäßige Mannschaft? Tja, was soll man da als Spieler antworten. „Ich glaube nicht“, sagte Mario Mandzukic vorsichtig. Die Argumente dafür muss er allerdings in die Zukunft verschieben. „Wir brauchen noch etwas Zeit“, so der kroatische Stürmer. Für ihn selbst gilt das nicht: Mit seinen Saisontoren vier und fünf ermöglichte Mandzukic, 25, dem VfL am Samstag einen schwierigen 2:1-Heimerfolg über den 1. FC Nürnberg.

Den Anspruch auf den Titel „Held des Tages“ muss er sich allerdings mit Torhüter Diego Benaglio teilen. Der hielt zweimal grandios gegen Nürnbergs Stürmer Esswein. Mandzukic nutzte eine seiner zwei Chancen und einen Foulelfmeter (24., 83.) – das machte den Unterschied.

Aus Wolfsburger Sicht ist der wichtigste Fortschritt der tabellarische: Mit dem dritten Heimsieg in Folge kann man sich genauso berechtigt nach oben orientieren wie nach unten. Spielerisch gibt es die bisher ansehnlichsten 45 Minuten zu vermelden, seit Trainer Felix Magath die Arbeit an einer seiner berühmten personellen Großbaustellen aufgenommen hat.

Die erste Hälfte sei „offensiv das Beste“ gewesen, was man seit Spielzeitbeginn hinbekommen habe, findet Magath selbst. Was nicht heißt, dass man auf hohem Niveau angekommen ist. Aber mit dem selbstbewußten, bulligen und effizienten Mandzukic und dem ballsicheren Ashkan Dejagah – plus dem venezuelanischen Dribbler Yohandry Orozco, erstmals über links – offenbarte man deutlich mehr Potenzial im Aufbauspiel als bisher.

Mit dem verletzungsbedingten Verlust von Alexander Madlung zur Halbzeit gingen dem VfL dann aber völlig überraschend die Innenverteidiger aus. Was zeigt, dass der Eindruck trügen muss, Magath habe sie im Dutzend angekarrt. Plötzlich standen hinten drin der 20-jährige Bundesligadebütant Bjarne Thoelke und die Noteinwechslung Jan Polak. Die Folge gegen offensiv nun ungewohnt gefällig agierende Nürnberger: spektakulärer Dilettantismus in mehreren Fällen.

Wolfsburgs Glück bestand zum einen darin, dass nur Christian Eigler (70.) das ausnutzte, der Ex-Wolfsburger Alexander Esswein aber nicht. Und zum anderen, dass der eingewechselte Clubberer Mike Frantz durch ungeschicktes Eingreifen gegen Dejagah einen berechtigten Strafstoß verursachte.

„Ich kann mich cleverer verhalten, in dem ich da wegbleibe“, sagte dieser Frantz hinterher. Hatte er aber eben nicht getan. Und dann „verliert man so ein Spiel“, brummte Club-Trainer Dieter Hecking, „das ist heute schwer zu akzeptieren.“

Nürnberg muss beim Versuch, im dritten Bundesligajahr das Hoch der Vorsaison (Platz 6) trotz Qualitätsverlust (Gündogan, Ekici) zu konsolidieren, nun mit einer Mini-Krise kämpfen – zwei Punkte aus vier Spielen. Und Wolfsburg? Versucht, das Positive mitzunehmen, um seine Auswärtsmisere zu beheben. Dazu gehört das Hoch von Diego Benaglio: Wie schon in Leverkusen hielt der Schweizer Nationaltorwart großartig. Er selbst fand, es sei ein faires Duell gewesen gegen den alleine auf ihn zustürmenden Ex-Kollegen Esswein: „So gut, wie ich ihn kenne“, sagte Benaglio, „so gut kennt er mich.“

Man wird sehen, ob das für den sensiblen Keeper der Wendepunkt zu alter Klasse war, wie er sie im Meisterjahr oder bei der WM 2010 offenbarte. Weiterhin unklar ist auch, ob die europäischen Ansprüche von Vereinsbesitzer VW in dieser Saison realistisch sind. Internationale Qualität drückt sich beim VfL Wolfsburg derzeit sichtbar nur in Mario Mandzukic aus. PETER UNFRIED