Die 45-Sekunden-Epen

Sendersuchlauf (11): Versteckt, kurz und oft originell – bei Deutschlandradio Kultur lief die 1.000. „Wurfsendung“

Die Sache mit dem Zuhören funktioniert bekanntermaßen so, dass links was reinkommt und rechts wieder rausgeht – das Dilemma des Radios. Aber das Dilemma kann durch eine Programmgestaltung Marke „dideldum“ oder „tralala“ ausgeglichen werden. Man nennt das: durchhörbares Radio. Durchhörbarkeit bedeutet, dass man die Hörer einlullt, denn wer schläft, kann den Sender nicht wechseln.

Es gibt aber Ausnahmen, etwa die „Wurfsendungen“, maximal 45-sekündige Hörspiele im Feuilleton von Deutschlandradio Kultur, das, je nach Region, auf jeweils anderen Frequenzen zu hören ist (www.dradio.de). Die „Wurfsendungen“ sind zwischen 9 und 12 und zwischen 14 und 17 Uhr im Programm versteckt. Und so darf man beim Hören nicht abschalten, will man sie nicht verpassen. Andererseits binden sie die Hörer nur kurz. Die „Wurfsendung“ ist ein Kompromiss aus schnellem und konzentriertem Radio. Es handelt sich um kurze Operetten oder Mini-Epen. Etwa: „Die Familie des Gummistiefelfabrikanten wurde bei der Wattwanderung von der Flut überrascht.“ Fertig.

Die Hörspiele handeln von eingeschäumten Aufzugschächten. Von der crazy Kraft des Geistes und wie man ihn austrickst. Oder von einem wütenden Computerbenutzer, über dessen Geschrei Kleinkunstpreisträger Thomas Pigor singt: „Hallo du, dem gerade der Rechner abschmiert, der nicht weiß, warum er dir jetzt diese Datei nicht konvertiert, warum er das Bild nicht importiert: Lass dir gesagt sein, du bist nicht allein.“

Zum Brüllen? Selten. Lustig? Oft. Originell? Meistens. Es gibt „Wurfsendungen“, die im Wortlaut im Gedächtnis bleiben – und über welches Format kann man das sonst sagen? Unter www.dradio.de/wurfsendung sind viele Sendungen nachhörbar.

Vor drei Jahren lief das Format bei Deutschlandradio Kultur erstmals. Radio Danmark und die Europäische Rundfunkunion wollen die Idee nun übernehmen. Jedenfalls: Es gibt relevante Radioinnovationen in Deutschland, die über längere Zeiträume eine Chance bekommen. In diesen Tagen lief die 1.000. „Wurfsendung“. Ein Baustein der Zukunft des Hörspiels. RAA

Im „Sendersuchlauf“ hören wir uns durchs Radio. Nicht nur durch das nationale, sondern auch durch das regionale. Das Internet macht’s möglich.