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ÜBER EINGETRAGENE LEBENSPARTNERSCHAFTEN REDEN VIELE. ABER KEINER DARÜBER, WIE MAN SIE WIEDER SCHEIDETWenn es nichts mehr zu sagen gibt

Martin Reichert

Alle schreiben immer über die Eingetragene Lebenspartnerschaft – die einen sagen, dass dieses Rechtsstatut der Anfang vom Ende (des Abendlandes) ist, die anderen, dass es sich bei dieser Konstruktion um eine Missgeburt handelt, die darüber hinwegtäuschen soll, dass man Homosexuellen in Deutschland eine wahrhaftige Gleichberechtigung noch immer verweigert. Aber niemand hat sich bisher Gedanken darüber gemacht, wie es eigentlich ist, wenn eine solche Eingetragene Lebenspartnerschaft geschieden wird. Ich weiß jetzt, wie es geht.

Mit viel Papier fängt es an. Anträge, Bescheide, eidesstattliche Erklärungen. Dann geht es mit sehr viel Geld weiter – eine Eingetragene Lebenspartnerschaft ohne Musikbegleitung kostet schlappe 60 Euro, bei einer Scheidung steigt man so mit 1.000 Euro ein. Anwaltskosten, Gerichtskosten. Dann geht man zu einem Gerichtsgebäude, das eine menschenfeindliche Ausstrahlung hat und an einer stark befahrenen Straße liegt. Vor der Tür kann man noch eine Zigarette rauchen, zusammen mit aschfahlen gegnerischen Parteien, Antragstellern und Zeugen. Im Gebäude Sicherheitsschleuse wie am Flughafen – man darf den Gürtel anbehalten, dafür endet man aber nicht im Duty-Free Shop sondern in einem weiten, kalten Flur. Menschenleer. Nein, dort hinten auf dem Stuhl sitzt mein Noch-Mann. Neben einer Büropflanze.

Mein Mann ist gegnerische Partei und Antragsteller und ich bin der andere. Wir sitzen nebeneinander und warten, er, der gelernte DDR-Bürger, hat Angst. Angst vor Behörden, vor Gerichten – vor der Staatsmacht an sich, der man nie wirklich trauen kann. Es ist, als ob er die Handschellen klicken hört. Und ich sage: „Es ist doch nur ein Verwaltungsakt.“ Der Anwalt kommt, wir müssen noch eine handschriftliche Erklärung abgeben und mein Mann ist viel zu aufgeregt, um zu schreiben. Ich will ihm helfen, aber dafür ist ja der Anwalt da. Er macht das, er wird ja dafür bezahlt.

Ein weiterer Zeuge wird aus dem Anwaltszimmer angeschleppt, er will 150 Euro von mir, damit er neben mir sitzt. Er schaut mir nicht in die Augen und es fühlt sich an, als hätten wir gerade einen Handel über ein Altauto ohne TÜV abgeschlossen.

Der Autohändler hat sich eine Robe übergeworfen, auch der Anwalt und der Richter sowieso. Der Verwaltungsakt wird vollzogen. „Gibt es noch eine Chance, dass diese Lebenspartnerschaft wieder aufgenommen wird?“ Nein. Wir müssen uns erheben. So nennt man hier das Aufstehen. Dann ist es vorbei. Ich bedanke mich bei allen Beteiligten für ihre Mitwirkung. Was man so sagt, wenn es nichts zu sagen gibt. Der reine Wahnsinn.

DIE FÜNFTAGEVORSCHAU | KOLUMNE@TAZ.DE

DonnerstagMargarete StokowskiLuft und Liebe

FreitagMichael BrakeKreaturen

MontagMaik SöhlerDarum

DienstagSonja VogelGerman Angst

MittwochAnja MaierZumutung

Draußen ist es kalt und die Zigarette ist ein kleines Feuer, das mich wärmt. Mein Exmann und ich gehen die laute Straße entlang und finden ein Café. Wir trinken noch etwas zusammen. Wir umarmen uns und gehen unserer Wege. Mit der Scheidung einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft verhält es sich wie folgt: Es tut offensichtlich genau so weh wie bei der Scheidung einer „richtigen“ Ehe. Wer hätte das gedacht.

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