St. Georg wahrt sein Gesicht

Keine Glaskästen im Altbauviertel: Bezirksamt Mitte erlässt städtebauliche Erhaltungssatzung. In Teilen St. Georgs können Bauherren dadurch jetzt dazu verdonnert werden, das Stadtbild zu erhalten

VON GERNOT KNÖDLER

SPD und GAL in Mitte wollen St. Georg vor dem Abriss und der Schicki-Mickisierung bewahren. Auf Antrag der beiden Fraktionen hat Bezirksamtsleiter Markus Schreiber (SPD) gestern eine Bauliche Erhaltungsverordnung erlassen. Jedes künftige Bauprojekt kann somit von der Verwaltung daraufhin geprüft werden, ob es ins Stadtbild passt. Sollte das nicht der Fall sein, kann die Verwaltung den Bauantrag ablehnen. „Wir können damit nicht jedes Detail eines alten Hauses retten“, sagt Schreiber. Zumindest große Glaskästen in Gründerzeitvierteln ließen sich aber verhindern.

Mit der Satzung reagiert das Bezirksamt auf zwei von SPD und GAL als problematisch empfundene Entwicklungen: Zum einen steigen in St. Georg die Mieten. Die eingesessenen Bewohner laufen Gefahr, verdrängt zu werden. Zum anderen versuchen Immobilienbesitzer ihren Grund besser zu nutzen. Es mehrten sich „die Abrissanträge für erhaltenswerte, stadtbildprägende Gebäude, die das Flair des Stadtteils ausmachen und die städtebauliche Historie dokumentieren“, stellten die Fraktionen fest. Die Eigentümer bauen neu, weil sich Neubauten besser nutzen und zu höheren Preisen vermieten lassen.

Um einen Abriss zu rechtfertigen, werden bisweilen rabiate Methoden angewandt. Wie berichtet, ist das alte Wohnhaus Lange Reihe 57 / 59 in Brand gesteckt worden. Die Eigentümerin reparierte den Schaden nicht und ließ zu, dass es in das Gebäude regnete und dieses zu einem großen Teil unbewohnbar wurde. Stattdessen verkaufte sie das Haus weiter – angeblich mit Gewinn. Der Bezirk hat dem Abriss zugestimmt. Nur die Fassade muss erhalten bleiben.

„Wir haben in St. Georg schon einige Häuser verloren“, sagt GAL-Fraktionschef Michael Osterburg. Bisher konnten die Bezirkspolitiker die Investoren nur unter Verweis auf das Baurecht oder den Denkmalschutz zähmen. Sie konnten auf die Einhaltung des Bebauungsplanes pochen oder mit Ausnahmegenehmigungen winken. „Vom Denkmalschutzamt haben wir bisher wenig Unterstützung erfahren“, klagt Hubert Piske von der SPD-Fraktion. Das Denkmalschutzamt ziere sich, erhaltenswerte Häuser unter Schutz zu stellen.

Die Erhaltungsverordnung auf Grundlage des Baugesetzbuches gibt dem Bezirksamt ein Jahr Zeit einen Abrissantrag zu genehmigen. In dieser Zeit kann es begründen, warum es einen Antrag ablehnt oder es kann Vorschriften für den Neubau machen. Dabei gilt es, die prägenden Merkmale der betreffenden Quartiere zu erhalten: eine geschlossene Blockrandbebauung auf kleinen Grundstücken, abgestimmte Baufluchten, einheitliche Traufhöhen, historische Fassaden. „Wenn man einen solchen Stadtteil erhält, ist das auch positiv für Investoren“, sagt Osterburg – auch wenn das für einzelne Bauherren Einschränkungen mit sich bringe.

In St. Georg gibt bereits eine alte Erhaltungsverordnung für das Gebiet zwischen der Langen Reihe und der Koppel sowie für das Gebiet im Winkel zwischen der Lindenstraße und dem Steindamm. Hinzu gekommen sind jetzt die Quartiere Holzdamm, Gurlittstraße, Schmilinskystraße/An der Alster, die Südseite der Langen Reihe und das Gebiet um den Hansaplatz. Die Bezirksversammlung hat im vergangenen Jahr außerdem beantragt, für die Innenstadt eine Erhaltungsverordnung zu erlassen. Die Verwaltung ist aber noch mit den aufwändigen Vorbereitungen beschäftigt.

Piske und Schreiber setzen auf die „präventive Wirkung“ der Erhaltungssatzungen. Die Notwendigkeit, sich intensiv mit den Behörden auseinandersetzen zu müssen, schrecke manchen Kaufinteressenten ab.