Berliner Platten
: Zwei neue Strategien gegen die 4/4-Monotonie: Dapayk & Padberg lassen auch den Holzlöffel tanzen, und bei Ouio darf man (ein klein wenig) an Liesl Karlstadt denken

Ich kann da kaum aus eigener Erfahrung sprechen, aber ich habe mir sagen lassen, so als Supermodel hat man’s schon schwer: Dauernd muss man warten, dass der Fotograf seine Kamera scharf stellt, darf zwischendurch nix essen, muss sich stattdessen ständig umziehen und dann wird man nicht mal ernst genommen, wenn man mal was anderes probiert. Sei’s das Schauspielern oder Singen. Eva Padberg versucht dem Stigma zu trotzen, mit Schauspielern oder Singen. Letzteres schon seit Jahren im Verbund mit ihrem Ehemann, dem versierten Elektronik-Bastler Niklas Worgt, als Dapayk & Padberg. „Black Beauty“ haben sie ihr zweites Album genannt und der Titel bezieht sich auf die afrikanischen Ursprünge des Techno, auf Stammestrommeln und Soul und Funk, die ausdrücklich heraus gearbeitet werden sollten. Tatsächlich finden die meisten Tracks eine entspannte Balance zwischen der 4/4-Monotonie des Tanzbodens und einem eher experimentellen Zugang, der das Dogma vom geraden Beat mit Synkopierungen aufbricht, oder die Maschinen-Samples mit verwirrend lebendigen Geräuschen kontrastiert. Irgendwann singt Worgt „I hit the table with a wooden spoon and you dance“ und dann kann man den Holzlöffel tanzen hören: aus dem Sample wird ein so flotter wie abstrakter Track, der groovt, zugleich fantasievolle neue Klangräume erforscht und in entsprechender Lautstärke auch zum Techno-Brett mutieren könnte.

Jene Ecken, die Dapayk & Padberg dem Techno einschreiben, ausschließlich aus denen fertigt Antye Greie-Fuchs alias AGF schon seit Jahren verquere, schräge Beats, die sich gegen alle überbrachten Tanzboden-Klischees sperren. Diesmal hat sie die allerdings nicht für sich oder ihr Projekt Laub programmiert, sondern bereits zum zweiten Mal für Quio. Die stammt ursprünglich aus Bremen, begann als Rapperin unter dem Pseudonym MC Looney Tunes und sang angeblich mal kurz für die zu Recht weitgehend vergessene Belanglos-Popband Creme 21, die einmal einen kleinen Hit hatte mit der Coverversion von Rudi Carrells „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer?“.

Nun verbindet sie auf „Phiu“ all diese Erfahrungen und deckt zwischen Maschinengewehr-Raps und lyrischem Gesang ein unglaubliches Spektrum ab, während AGF ihr zerfaserte, brüchige Musik darunter programmiert, die ebenso Bruchstücke aus Drum & Bass und Dubstep zusammen schraubt wie Samples aus deutscher Volksmusik oder internationaler Folklore. Das ist erratisch, widerspenstig, von einer spröden Schönheit, und hat doch im Gegensatz zu Greye-Fuchs eigenen Projekten, die mitunter an der eigenen Ernsthaftigkeit zu erstarren drohen, sogar einen gewissen Humor, wenn Stimme und Beats sich grotesk ineinander verschränken und weniger miteinander als eher gegeneinander arbeiten. So sind – neben den tatsächlich mitwirkenden Nicolette (die schon für Massive Attack singen durfte) und Edu K (ein Baile-Funk-Star im heimischen Brasilien) – bisweilen auch Karl Valentin und Liesl Karstadt zumindest ideell anwesend. THOMAS WINKLER

Dapayk & Padberg: „Black Beauty“ (Mo’s Ferry/Word and Sound/Rough Trade)

Quio: „Phiu“ (AGF Producktions/Alive)