Rätselraten um Potsdamer Platz

Sony und Daimler wollen ihre Immobilien am Potsdamer Platz verkaufen. Einst bekamen sie die Flächen vom Senat nachgeworfen. Trotzdem sei dies jetzt ein ganz normales Geschäft, betonen Politiker. Leerstand werde es nicht geben

Müssen das Sony-Center und die Daimer-City am Potsdamer Platz bald umbenannt werden? Das legte Anfang der Woche ein Beitrag der Financial Times Deutschland (FTD) nahe. Sony und Daimler, meldete das Blatt, stellen ihre Immobilien am Potsdamer Platz zum Verkauf. Mögliche Käufer seien Immobilieninvestoren wie Goldman Sachs, Morgan Stanley oder Fortress. Die Daimler-City, schätzen Immobilienmakler, sei rund 1,5 Milliarden Euro wert, das Sony-Gelände 600 bis 700 Millionen Euro.

Seit dem Bekanntwerden der Verkaufspläne jagt eine Beschwichtigung die nächste. Seiner Verwaltung lägen noch keine Informationen über einen möglichen Verkauf vor, sagte Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) am Dienstag. Wenn die beiden Konzerne ihre Immobilien am Potsdamer Platz veräußerten, hätte dies jedoch keine wirtschaftlichen Auswirkungen auf Berlin. Denn ein solches Geschäft ändere nichts an den unternehmerischen Aktivitäten der beiden Unternehmen in der Hauptstadt, fügte Wolf hinzu. Immobilien seien „totes Kapital“.

Ähnlich äußerte sich auch die Sprecherin von Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD). Wenn ein Konzern entscheide, dass er Büroimmobilien nicht mehr benötige, sei das sein gutes Recht, so Petra Rohland. Leerstand werde es dort bestimmt nicht geben. Die, die es am besten wissen müssten, hüllen sich in Schweigen. Kein Kommentar, heißt es aus dem Sony-Center. Daimler bestätigt lediglich, dass die Gebäude am Potsdamer Platz seit 2006 als „nicht betriebsnotwendig“ eingestuft sind.

Tatsächlich sind Immobilienverkäufe nichts Ungewöhnliches und auch nicht zwingend ein Hinweis auf wirtschaftliche Schwierigkeiten der Verkäufer. Der Potsdamer Platz aber ist nicht irgendeine Immobilie, sondern hochsymbolischer Ort. Damit aus der einstigen Brachfläche die neue Mitte zwischen Zentrum-West und Zentrum-Ost würde, hat die große Koalition nach der Vereinigung die Flächen an die Investoren geradezu verscherbelt. Die bedankten sich mit einem Manhattan in Berliner Kleinformat, in dem auch andere ihren Platz fanden, zum Beispiel die Deutsche Bahn im gläsernen Tower des Sony-Centers.

Dass sich mit einem Verkauf viel ändert, glaubt auch die grüne Baupolitikerin Claudia Hämmerling nicht. „Vielleicht will Sony sich die Mühe sparen, neue Mieter zu suchen, wenn Teile der Bahn in den Hauptbahnhof ziehen“, mutmaßt sie. Dass Sony und Daimler satte Gewinne mit dem Verkauf einfahren, glaubt sie aber nicht. „Es gibt keinen Run auf die Immobilien.“ Ein Einstieg von Finanzinvestoren sei deshalb eher langfristig zu sehen. Ob das auch die Immobilienexperten so sehen, bleibt dahingestellt. Die Beratungsfirma Jones Lang LaSalle, sonst um kein Wort verlegen, wollte den Vorgang gestern nicht kommentieren.

Eines aber zeigen die Verkaufspläne, die von Sony und Daimler bislang nicht dementiert wurden. Die Ära der Großkonzerne am symbolischen Ort Berlins ist vorbei. Auch dort folgt nun die Zeit der Finanzinvestoren und Konzernanleger, deren Tun man kaum als „Vertrauen in Berlin“, vielmehr als Vertrauen in den Berliner Immobilienmarkt bewerten muss. Daimler-City ist Geschichte, kommt nun die „Fortress“, also die Festung Potsdamer Platz? UWE RADA